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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin
Autoren: Helena Marten
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und stellte behutsam ihre Tasse ab. Leise schlich sie sich zur Tür, um diese mit einem Ruck aufzureißen. Und tatsächlich: Agnes stand dahinter, das Ohr noch vorgereckt.
    Keck sah das junge Mädchen ihr ins Gesicht und schwenkte die Hand, in der sie eine Dochtschere hielt.
    »Ich wollte mich gerade um den Leuchter mit den springenden Hirschen kümmern«, knickste sie devot.
    »Nicht jetzt!«, erwiderte Friederike barsch und nahm ihr die Dochtschere aus der Hand. »Lass uns jetzt bitte in Ruhe miteinander reden, Agnes! Ich will dich nicht noch einmal mit dem Ohr an der Tür erwischen.«

    Also hatte sie sich nicht nur eingebildet, dass die Zofe sich ein wenig zu sehr für ihre Angelegenheiten interessierte! Wahrscheinlich saß sie jeden Tag nach Feierabend mit den anderen Dienstboten in der Küche zusammen und erzählte ihnen brühwarm, was die junge Frau Bogenhausen wieder alles getrieben hatte. Und das restliche Personal tratschte weiter an Verwandte und Bekannte, bis die ganze Stadt auf dem Laufenden war.
    Sie legte die Dochtschere neben dem Tablett ab.
    »Wenn ich nur wüsste, was ich tun soll«, sagte sie niedergeschlagen zu Josefine. »Aber eigentlich kann ich gar nichts tun, weil Carl einfach nicht zurückkommt. Und angeblich wissen auch die anderen alle nicht, wo er sich aufhält.«
    »Dann zeig mir doch erst mal Giovannis Brief«, schlug Josefine in ihrer praktischen Art vor.
    Friederike öffnete den Bücherschrank mit den verglasten Türen und griff zu einem Band von Vergil, der in der Mitte des untersten Regals stand. Sie hatte gehofft, dass niemand im Bogenhausen’schen Haushalt Latein lesen konnte, auch wenn die Familie sonst mit allen Sprachen vertraut schien. Daher hatte sie sich für den römischen Dichter als Hüter ihres Geheimnisses entschieden. Der Brief befand sich zwischen den Seiten 34 und 35.
    Bevor sie ihn Josefine überreichte, faltete sie das Büttenpapier auseinander. Giovannis Gruß mit den großen, sinnlichen Buchstaben fiel ihr ins Auge: » Ardentissimamente , Giovanni«.
    Schnell reichte sie das Papier an Josefine weiter. Wie oft hatte sie in den letzten Tagen diese Zeilen gelesen! Wohl wissend, dass ihr das keineswegs gut tat, verstärkten Giovannis Worte doch nur ihre unermessliche Sehnsucht nach ihm. Und noch dazu konnte sie nie sicher sein, dass sie wirklich allein war und niemand ihr Tun beobachtete. Mittlerweile vermochte sie den Brief fast auswendig zu zitieren, dennoch trieb sie irgendetwas dazu, ihn immer wieder durchzulesen. Der Anblick von Giovannis Schriftzügen tröstete sie über ihr Unglück hinweg, redete sie sich ein. Aber
was, wenn jemand den Brief fand? Die Szene mit der lauschenden Agnes an der Zimmertür gab ihr zu denken. Wenn Carl den Brief zu sehen bekam! Oder Emanuel, der ja sogar einzelne Fragmente daraus kannte, die sie dummerweise laut vorgelesen hatte.
    Sorgfältig faltete Josefine den Brief wieder zusammen. Doch statt ihn erneut seiner Besitzerin zu überlassen oder wenigstens einen Kommentar abzugeben, behielt sie ihn weiterhin in der Hand. Ihr Blick war starr auf das Kaminfeuer gerichtet.
    »Was meinst du, was soll ich tun?«, unterbrach Friederike schließlich die Stille.
    »Was willst du denn tun, Friedrich? Was sind deine Gefühle?«, fragte die Freundin seltsam tonlos.
    »Am liebsten würde ich mir Ludwig schnappen und auf der Stelle zu Giovanni nach Fürstenberg reiten.«
    »Bist du dir ganz sicher?«, hakte Josefine nach. Sie hatte Friederike noch immer nicht angeschaut.
    »Wie kann man sich jemals sicher sein? Meine Gefühle sind einfach so. Ich will zu Giovanni! Ich will nicht hierbleiben. Ich will nicht weiter auf Carl warten, der mich seit Wochen schmoren lässt. Was soll ich ihm schon sagen - falls er überhaupt jemals wieder mit mir redet.«
    »Du wirst mit ihm reden müssen! Du kannst nicht einfach weglaufen, so wie du es damals in Meißen gemacht hast!«
    Josefines Gesichtsausdruck war streng, als sie jetzt endlich den Kopf in Friederikes Richtung drehte.
    »Wenn Ludwig nicht da wäre, würde ich das tun, darauf kannst du dich verlassen. Mein Mann läuft einfach weg und lässt mich hier alleine! Niemand redet mit mir. Nur weil ich irgendwann als junges Mädchen mal eine falsche Entscheidung getroffen habe, soll ich den Rest meines Lebens dafür büßen?«
    Aufgebracht hatte Friederike den Vergil-Band wieder zugeschlagen.
    »Warum hast du überhaupt eine Affäre mit Carl angefangen, wo du doch eigentlich nur Giovanni geliebt
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