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Die Philosophen der Rundwelt

Die Philosophen der Rundwelt

Titel: Die Philosophen der Rundwelt
Autoren: Terry Pratchett
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Einfluss verringert sich sehr, verschwindet aber nie ganz.«
    » Nie?« , brachte Ponder hervor, der allmählich außer Atem geriet.
    »Einen gewissen Einfluss bewahren sie sich. Das menschliche Denken und Fühlen ist sehr empfänglich für gewisse Dinge.«
    »Ja, aber wir haben die Phantasie auf ein neues Niveau gehoben«, schnaufte Ponder. »Die Menschen können sich jetzt vorstellen, dass die Dinge, die sie sich vorstellen, nur in ihrer Vorstellung existieren. Elfen sind Märchengestalten. Ungeheuer werden einfach beiseite geschoben. Man fürchtet das Unsichtbare nicht mehr, wenn man es sehen kann.«
    »Es wird neue Ungeheuer geben«, entgegnete HEX aus Rincewinds Tasche. »In dieser Hinsicht sind Menschen sehr einfallsreich.«
    »Aufgespießte … Köpfe«, sagte Rincewind. Er hatte es sich längst zur Angewohnheit gemacht, seinen Atem fürs Laufen zu sparen.
    »Viele Köpfe«, fügte HEX hinzu.
    »Irgendwo gibt es immer aufgespießte Köpfe«, sagte Ridcully.
    »Bei den Muschelberg-Leuten nicht«, erwiderte Rincewind.
    »Stimmt, aber sie hatten nicht einmal Spieße«, sagte Ridcully.
    »Wisst ihr«, keuchte Ponder, »wir hätten HEX auffordern können, uns direkt zur Öffnung des B-Raums zu bringen …«
    Sie liefen noch immer, als sie auf dem Holzboden landeten.
    »Können wir HEX beibringen, das auch auf der Scheibenwelt zu machen?«, fragte Rincewind, als sich die einzelnen Zauberer aus dem Haufen an der Wand gelöst hatten und aufgestanden waren.
    »Nein!«, erwiderte Ridcully. »Zu was wärst du dann noch gut? Kommt, lasst uns gehen …«
    Ponder zögerte am Portal des B-Raums. Mattes graues Licht zeigte sich dort; in der Ferne waren Berge und Ebenen aus Büchern zu sehen.
    »Es gibt hier noch immer Elfen«, sagte er. »Sie sind beharrlich. Vielleicht finden sie eine Möglichkeit, um …«
    »Komm jetzt!«, schnappte Ridcully. »Wir können nicht jeden Kampf ausfechten.«
    »Aber irgendetwas könnte schief gehen.«
    »Und wessen Schuld wäre es dann? Komm endlich!«
    Ponder sah sich um, zuckte mit den Schultern und trat durchs Loch.
    Nach einigen Sekunden streckte sich ein haariger roter Arm durch die Öffnung, zog Bücher durchs Portal und stapelte sie aufeinander, bis sie eine Wand bildeten.
    Irgendwo in dem Haufen blitzte Licht, so hell, dass es die Seiten durchdrang.
    Dann wurde es dunkel. Eine Buch rutschte zur Seite, und daraufhin stürzte der ganze Stapel ein. Dahinter kam nur eine leere Wand zum Vorschein.
    Und natürlich eine Banane.

ZWEIUNDDREISSIG
    Könnte Nüsse enthalten
    Wir sind der Geschichten erzählende Affe, und darin sind wir unglaublich gut.
    Sobald wir alt genug sind, um zu verstehen, was rings um uns geschieht, beginnen wir in einer Welt der Geschichten zu leben. Wir denken in Fabeln. Wir tun es derart automatisch, dass wir gar nicht glauben, es zu tun. Und wir haben uns so ausgedehnte Geschichten erzählt, dass wir darin leben können.
    Am Himmel über uns sind Muster, älter als unser Planet und unvorstellbar weit entfernt, zu Göttern und Ungeheuern gestaltet worden. Doch hier unten gibt es größere Geschichten. Wir leben in einem Netz von Geschichten, die von »wie wir hierher gekommen sind« über »natürliche Gerechtigkeit« bis zu »wirklichem Leben« reichen.
    Ach ja … »wirkliches Leben«. Tod, der in den Scheibenwelt-Büchern als eine Art Chor fungiert, ist von zwei Aspekten der Menschheit beeindruckt. Der eine ist, dass wir uns dahin entwickelt haben, uns interessante und nützliche kleine Lügen über Ungeheuer und Götter und Zahnfeen zu erzählen, und zwar als eine Art Vorspiel zur Erschaffung wirklich großer Lügen wie »Wahrheit« und »Gerechtigkeit«.
    Es gibt keine Gerechtigkeit. Wie Tod in Schweinsgalopp bemerkt, könnte man das Universum zu einem ganz feinen Pulver zermahlen und kein Atom Gerechtigkeit finden. Wir haben sie erschaffen, und während wir uns diese Tatsache eingestehen, fühlen wir doch in einem gewissen Sinne, dass es sie »da draußen« gibt, groß und weiß und leuchtend. Das ist eine andere Geschichte.
    Weil wir so von ihnen abhängen, lieben wir Geschichten. Wir brauchen sie täglich. Also ist im Laufe etlicher tausend Jahre eine riesige Dienstleistungsindustrie entstanden.
    Die grundlegenden Erzählformen des Dramas – die archetypischen Geschichten – sind alle in den Werken der alten griechischen Stückeschreiber zu finden: Aischylos, Aristophanes, Euripides, Sophokles … Die meisten dramatischen Tricks reichen bis ins alte
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