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Die Philosophen der Rundwelt

Die Philosophen der Rundwelt

Titel: Die Philosophen der Rundwelt
Autoren: Terry Pratchett
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dass das ja wohl nicht das Geheimnis der Ausbreitung all der anderen, falschen Religionen auf der Welt sein kann. Warum, zum Teufel, glauben vernünftige Leute diesen Schwachsinn?
    Weil es ein erfolgreicher Memplex ist.
    Für die memetische Übertragung von Ideologien liegen zahlreiche Beweise vor. Beispielsweise scheint jede Religion der Welt (ausgenommen sehr alte, deren Ursprung sich im Nebel der Zeiten verliert) mit einer sehr kleinen Gruppe von Menschen und einem charismatischen Anführer begonnen zu haben. Sie sind spezifisch für bestimmte kulturelle Hintergründe; das Mem braucht einen fruchtbaren Untergrund, auf dem es wachsen kann. Viele Glaubensvorstellungen, die dem Christentum lieb und teuer sind, erscheinen jedem absurd, der außerhalb der christlichen Tradition aufgewachsen ist. Jungfrauengeburt? (Nun ja, das war eigentlich eine geniale Fehlübersetzung des hebräischen Begriffs für »junge Frau«, doch sei’s drum.) Wiedererweckung der Toten? Messwein verwandelt sich in Blut? Hostien sind der Leib Christi – und man isst sie? Wirklich? Für Gläubige hat das alles natürlich durchweg Sinn, doch für Außenstehende, die nicht von dem Mem infiziert sind, ist es lachhaft.* [* Es hört natürlich auf, lachhaft zu sein, wenn es trotz seiner bizarren Erscheinungsform eben wahr ist. Und wir sind schon übereingekommen, dass alle Religionen wahr sind, wenn man für »Wahrheit« einen bestimmten Wert annimmt.]
    Blackmore führt aus, dass vor der Wahl, Gutes zu tun oder das Mem zu verbreiten, sich religiöse Menschen eher für das Mem entscheiden. Für die meisten Katholiken und viele andere Menschen ist Mutter Teresa eine Heilige (und sie hat gute Aussichten, wirklich eine zu werden, wenn es so weit ist). Ihre Arbeit in den Slums von Kalkutta war selbstlos und altruistisch. Sie hat zweifellos viel Gutes getan. Doch manche Menschen in Kalkutta haben den Eindruck, dass sie die Aufmerksamkeit von den wirklichen Problemen ablenkte und nur jenen half, die ihre Glaubenslehren annahmen. Beispielsweise war sie unversöhnlich gegen Geburtenkontrolle, die einzige praktische Sache, die den jungen Frauen, die ihre Hilfe brauchten, am meisten genützt hätte. Doch der katholische Memplex verbietet Geburtenkontrolle, und wenn es hart auf hart geht, gewinnt das Mem. Blackmore fasst ihre Analyse wie folgt zusammen:
    Diese religiösen Meme traten nicht mit der Absicht auf, Erfolg zu haben. Es waren nur Verhaltensweisen, Ideen und Geschichten, die von einer Person auf die andere kopiert wurden … Sie hatten Erfolg, weil es sich so ergab, dass sie zu einander unterstützenden Gruppen zusammenkamen, zu denen all die richtigen Tricks gehörten, um sie sicher in Millionen von Gehirnen, Büchern und Gebäuden zu speichern und immer wieder auf neue zu übertragen.
    Mit Shakespeare werden Meme zur Kunst. Und jetzt gehen wir noch eine konzeptuelle Ebene höher. Im Schauspiel wirken Gene und Meme zusammen, um ein vorübergehendes Konstrukt auf der Bühne hervorzubringen, das andere Extelligenzen betrachten können. Shakespeares Stücke machen ihnen Vergnügen und verändern ihren Geist. Sie und andere Dramen von ihrer Art lenken die menschliche Kultur in eine neue Richtung, indem sie unser eigenes geistiges Elfentum angreifen.
    Die Macht der Geschichten. Sie sollten ohne sie nicht aus dem Haus gehen. Und sie nie, nie, nie unterschätzen.

EINUNDDREISSIG
    Eine Frau auf der Bühne?
    Rincewind erinnerte sich an den Geruch des Theaters. Die Leute sprachen über »den Geruch der Schminke, das Gebrüll der Menge«, aber in diesem Fall schien »Gebrüll« auch »Gestank« zu bedeuten.
    Er fragte sich, warum dieses Theater »The Globe«* [* Das »Globe Theatre« wurde 1599 gebaut, und William Shakespeare war Mitinhaber. Erstaunlicherweise gibt es auf der Scheibenwelt in Ankh-Morpork ein Theater, das »Scheibe« heißt … – Anm. d. Übers. ] hieß, »Die Kugel«. Es war nicht einmal vollkommen rund. Aber vielleicht ereignete sich hier die neue Welt …
    Für diese besondere Gelegenheit war er zu einem großen Zugeständnis bereit gewesen – er hatte die letzten übrig gebliebenen Pailletten des Wortes »ZAUBBERER« vom Hut gelöst. Mit der allgemeinen Formlosigkeit des Hutes und dem zerlumpten Mantel ähnelte er den meisten anderen Theaterbesuchern, wobei es jedoch einen wichtigen Unterschied gab: Er kannte die Bedeutung von Seife.
    So bahnte er sich einen Weg durch die Menge und erreichte schließlich die anderen Zauberer, die
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