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Die Braut des Ritters

Titel: Die Braut des Ritters
Autoren: Lynsay Sands
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Prolog
    Oh"
    Das „Oh“ war nur gehaucht, doch Avelyn, die auf der langen Tafel stand, fuhr herum. Lady Straughton, ihre Mutter, hatte den Laut ausgestoßen. Sie kam die Treppe herunter und hielt inne, um mit feuchten Augen zuzusehen, wie Avelyns Kammerfrau Runilda am Saum von deren Gewand nestelte.
    Lady Margeria Straughton hatte in letzter Zeit oft feuchte Augen gehabt - seit auf Straughton Castle die Nachricht eingegangen war, dass Paen de Gerville vom Kreuzzug zurück war und seine Braut holen wollte. Avelyns Mutter nahm sich die anstehende Hochzeit sehr zu Herzen. Oder vielmehr nahm sie sich den Umstand zu Herzen, dass Avelyn nach der Hochzeit mit Paen Gerville fortgehen würde. Avelyn wusste, dass ihre Mutter glücklich über die Heirat und die Aussicht auf Enkel war. Das Fortgehen war es, das an Lady Straughton nagte. Avelyn und ihre Mutter standen sich sehr nahe, und so war die Tochter als junges Mädchen nicht fortgegeben und woanders erzogen, sondern geduldig und liebevoll von ihrer Mutter ausgebildet worden.
    „Oh“, hauchte Lady Straughton abermals, als sie mit ihrer Kammerfrau Gunorra im Schlepptau die große Halle durchquerte. Avelyn tauschte ein Lächeln mit Runilda, ehe sie den Kopf schüttelte. „Sehe ich so abscheulich aus, dass es dir die Tränen in die Augen treibt, Mutter?“, fragte sie mit gespielter Verzweiflung.
    „Nay!“, stritt ihre Mutter vehement ab. „Du siehst hinreißend aus, Schatz, einfach hinreißend. Das blaue  Kleid betont das Blau deiner Augen. Die Farbe schmeichelt dir. “
    „Weshalb dann so betrübt?“, fragte Avelyn behutsam. „Oh, es ist nur, weil du ... weil du wie eine richtige Dame aussiehst.“ Danach wandte sie sich an ihre Kammerfrau und klagte: „Oh, Gunorra! Mein kleiner Liebling ist erwachsen geworden.“
    „Aye, Mylady.“ Gunnora lächelte nachsichtig. „Das ist sie. Höchste Zeit, dass sie heiratet und einen eigenen Hausstand gründet.“
    Die sanften Worte ihrer Kammerfrau ließen Lady Straughton erneut Tränen in die Augen treten. Sie drohten gerade, sich Bahn zu brechen, als Lord Willham Straughton sich aus seinem Sessel am Kamin erhob. Leder knarzte, Metall klirrte.
    „Keine Tränen bitte, Liebste“, sagte er tadelnd, als er zu den Frauen an die Tafel trat. „Wir haben allen Anlass zur Freude. Zudem ist uns Avelyn länger erhalten geblieben, als ich zu hoffen gewagt hatte. Ohne König Richard und seinen Kreuzzug wäre sie uns schon mit vierzehn oder zumindest nicht viel später genommen worden.“
    „Aye.“ Lady Straughton schmiegte sich an ihren Gemahl, der wohlwollend zu seiner Tochter aufschaute. „Auch ich bin dankbar dafür, dass wir sie bis zu ihrem zwanzigsten Lebensjahr bei uns haben durften, doch ich werde sie vermissen. “
    „So wie ich“, erwiderte Lord Straughton mit rauer Stimme. Er legte einen Arm um seine Frau und wandte sich seiner Tochter zu. „Du siehst bezaubernd aus, Kind. Genau wie deine Mutter an unserem Hochzeitstag. Paen Gerville kann sich glücklich schätzen. Wir sind stolz auf dich.“ Überrascht sah Avelyn, dass auch die Augen ihres Vaters verräterisch glänzten, ehe er sich räusperte und seiner Gemahlin ein Lächeln schenkte, das ein wenig schief geriet. „Wir werden uns irgendwie ablenken müssen, um den Verlust zu verwinden.“
    „Ich wüsste nicht, was mich vom Verlust meiner Tochter ablenken sollte“, entgegnete ihre Mutter düster.
    „Nicht?“ Etwas Spitzbübisches stahl sich in Willham Straughtons Miene, und Avelyn sah amüsiert, wie er die Hand über die Taille ihrer Mutter und tiefer wandern ließ, um durch das Kleid hindurch eine Pobacke zu umfassen. „Ich wüsste da ein oder zwei Dinge.“ Er schob sie auf die Treppe zu. „ Lasst sie uns in unserem Gemach ... bereden. “ „Oh.“ Lady Straughton klang ein wenig atemlos und ihr Einwand entsprechend schwach. „Aber ich wollte mit Gunnora die Vorräte durchgehen und..."
    „Das könnt Ihr auch später tun. Gunnora soll sich ein wenig ausruhen.“
    Die Magd feixte und war aus der Halle gehuscht, ehe Avelyns Mutter protestieren konnte. „Was ist mit Avelyn? Ich würde gern ... “
    „Avelyn wird auch nachher noch da sein“, sagte er, während er sie die Stufen hinaufschob. „Noch geht sie ja nicht fort.“
    „Wenn überhaupt.“
    Die beleidigenden Worte waren nicht mehr als ein Flüstern. Überrascht wirbelte Avelyn herum und stürzte nur deshalb nicht vom Tisch, weil ihre Kammerfrau geistesgegenwärtig nach ihr griff.
    Avelyn
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