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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur
Autoren: Bernhard Wucherer
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Amtsstube gelegene Kammer eingezogen. Seither habe ich viel über Staufen und seine Bewohner erfahren.«
    »In deiner Schlafkammer? – Wie das denn?«, wunderte sich der Medicus leicht lallend, weil das dunkle Bier jetzt seine volle Wirkung zu entfalten begann.
    Umso schneller kam die Antwort: »Im Fußboden meiner Kammer waren so breite Ritzen, dass ich alles mitbekommen habe, was in der Amtsstube des Ortsvorstehers vor sich gegangen ist. So habe ich beispielsweise ein Gespräch belauscht, bei dem er sich mit diesem Schlossverwalter …« Ruland Berging winkte abschätzig in Richtung des herrschaftlichen Sitzes, der aus seiner Sicht viel zu mächtig über dem Dorf thronte. »Wie heißt er doch wieder? Na egal! … Jedenfalls haben sie sich über den Leichenbestatter unterhalten und …«
    »Der Verwalter des Grafen ist ein Adliger und schreibt sich Ulrich Dreyling von Wagrain. Aber alle nennen ihn nur den Kastellan «, unterbrach der Medicus, um sein Gegenüber aufzuklären.
    »Gut!«, tat Berging die Information mit einer dementsprechenden Handbewegung ab und erzählte weiter: »Jedenfalls hat dieser Kastellan gesagt, dass es der alte Leising wohl nicht mehr lange machen wird und sie sich nach einem Nachfolger umsehen müssen.
    Als er dies hörte, ballte der Medicus eine Faust und hieb damit auf die Tischplatte.
    »Ich weiß, dass der Leichenbestatter krank ist. Aber der verreckt lieber, als mir einen halben Gulden zu gönnen!«, wollte er loslegen, wurde aber unterbrochen.
    »Wer weiß, vielleicht lebt er ja schon morgen nicht mehr«, orakelte Berging mit einem vielversprechenden Unterton in der Stimme. Verschwörerisch sah er in Richtung Schankraum und beugte sich über die Tischplatte. »Eines Tages habe ich durch die Ritzen gesehen, wie Heimbhofer mindestens hundert Gulden auf dem Tisch ausgebreitet hat.«
    »Und?«, konnte es der Medicus nicht erwarten.
    »Nichts ›und‹! Wie es dann mit mir weitergegangen ist, weißt du ja.«
    Der Medicus lachte.
    »Sie haben den Bock zum Gärtner gemacht.«
    Ruland Berging gab dem Medicus einen leichten Klaps auf den Hinterkopf.
    »Du Narr. Ich erbitte mir etwas mehr Respekt. Immerhin bin ich in Heimbhofers Fußstapfen getreten und Ortsvorsteher geworden!«
    »Aber erst nachdem sie deinen Vorgänger tot im Seelesgraben gefunden haben! Sein plötzlicher Tod war schon merkwürdig, oder was meinst du?«, hinterfragte der Medicus, der ahnte, dass Ruland Berging etwas mit dessen Tod zu tun gehabt haben könnte.
    Aber der Ortsvorsteher wechselte das Thema: »Das tut jetzt nichts mehr zur Sache. Der Kastellan wird mich dieses Amtes wieder entheben. Ich weiß das!« Ruland Berging verzog das Gesicht zu einer Fratze, die sogar den Medicus erschaudern ließ, und sprach in beschwörendem Tonfall weiter: »Wenn er dies wirklich tut, werde ich mich grausam dafür rächen! Obwohl es Vorteile für uns haben könnte.« Er milderte seinen beängstigenden Tonfall ab und wandte sich wieder direkt dem Medicus zu: »Und dazu brauche ich dich!«
    »Was habe ich mit dem Kastellan und deiner saudummen Rache zu schaffen, hä? Sag mir lieber, was mit Heimbhofers Geld geschehen ist und was du Großes mit mir vorhast!«
    Bevor der Ortsvorsteher antworten konnte, hörten sie im Schankraum den altbekannten Singsang des Nachtwächters: »Hört ihr Leut’ und lasst euch sagen, die Kirchturmuhr hat zehn geschlagen!«
    »Verdammte Scheiße. Ist es wirklich schon so spät?«, fluchte Ruland Berging. »Jetzt bin ich nicht mehr dazu gekommen, dir zu sagen, wie wir gemeinsam an viel Geld kommen können.«
    Um den verärgert dreinschauenden Arzt bei Laune zu halten, kramte er seinen Geldbeutel hervor und fischte vier halbe Gulden heraus. »Eine kleine Anzahlung. Ich melde mich wieder bei dir. Und noch etwas: Zu niemandem ein Wort. Hörst du! Am besten ist es, wenn wir uns nach außen hin nicht besonders gut kennen. Hast du mich verstanden?«
    Obwohl jetzt die Zeit gekommen war, Fragen zu stellen, nickte der Medicus nur und ließ grinsend das Geld in seiner Jacke verschwinden.
    »Feierabend!«, rief der Nachtwächter in die Hinterstube. »Das gilt auch für euch zwei Galgenvögel … oder soll ich euch bei der Obrigkeit melden?«

Kapitel 2

    Der Staufner Schlossverwalter Ulrich Dreyling von Wagrain, von allen nur Kastellan genannt, war von einer Reise zurückgekehrt. Er musste sich wieder um das Schloss Staufen und die Liegenschaften seines Herrn, des Reichsgrafen Hugo zu Königsegg-Rothenfels, kümmern.
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