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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur
Autoren: Bernhard Wucherer
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beleidigt dreinschauenden Gesellen erst gar nicht zu Wort kommen und bremste ihn mit einer Handbewegung aus, bevor er wieder das Wort ergriff: »Davon, dass Euer Vorgänger im Amte viel Geld verwahrt hat, wisst Ihr sicher nichts?«, fragte der Kastellan, bevor er Ruland Berging mitteilte, dass es sich dabei um das Geld handelte, das Ulrich Heimbhofer mühsam zusammengesammelt hatte, um den dringend notwendigen Wegebau von Staufen zur Salzstraße , der ›weltenverbindenden Handelsstraße‹, anpacken zu können. Der Kastellan schlug mit der flachen Hand so fest auf die Tischplatte, dass es ihn fast vom Stuhl riss. »Und die armen Leute hier können bei Gott nichts entbehren!« Da Ulrich Dreyling von Wagrain merkte, dass sein spontaner Wutausbruch gewirkt hatte, ließ er ihn etwas nachwirken, bevor er mit ruhiger Stimme weitersprach: »Und jetzt scheint das Geld verschwunden zu sein«, bedauerte er und suchte den Augenkontakt mit Ruland Berging. »Schade, dass Euer Vorgänger plötzlich verstorben ist und uns nicht mehr sagen kann, wo das Geld ist.«
    Aber die erhoffte Reaktion blieb aus. Berging zuckte nicht einmal mit den Wimpern. Im Gegenteil: Seine Augen hatten sich so kraftvoll an die des Kastellans gesaugt, dass es nicht er, sondern der ansonsten stets standhafte Adlige war, der zuerst den Blick abwandte.
    Obwohl der unerwartete Tod des alten Ortsvorstehers allgemeine Bestürzung ausgelöst hatte und nicht nur dem Kastellan merkwürdig vorgekommen war, konnte er dessen Nachfolger beim besten Willen nicht damit in Verbindung bringen. Es gab nicht den geringsten Hinweis darauf, dass Ruland Berging etwas damit zu tun gehabt hatte – augenscheinlich schien es ein bedauernswerter Unfall gewesen zu sein. Ob es sich mit dem verschwundenen Geld ebenso verhielt? Diesbezüglich wollte der Kastellan nachhaken. Zuvor aber würde er ihm – ebenfalls ohne konkrete Beweise dafür zu haben – noch etliche Gaunereien und Ungereimtheiten so um die Ohren hauen, als könnte er all seine Anschuldigungen belegen. Der Kastellan hatte einfach keine Zeit gehabt, um langwierig zu ermitteln und mühsam Beweise zu sammeln. Außerdem wollte er den Ortsvorsteher jetzt sofort absetzen und am liebsten auch noch heute loswerden.
    Da der Kastellan einer von zwölf Beisitzern beim Landgericht Immenstadt war, wo das Gericht turnusgemäß viermal im Jahr zusammentrat, und er in dieser Eigenschaft schon bei mehreren Verhören und bei einigen Gerichtsverhandlungen dabei gewesen war, kannte er sich mit Verhören aus und verstand es geschickt zu taktieren. Er wusste genau, wie er das Gespräch lenken musste, um den zwar widerlichen, aber offensichtlich gewieften Ortsvorsteher an die Wand zu drücken, damit dieser, doch noch unruhig, freiwillig aus dem Amt scheiden würde.
    Nachdem Ruland Berging die Vorwürfe gehört und seine erfundenen Versionen zu den Anschuldigungen vorgebracht hatte, blieb der Kastellan lange Zeit nachdenklich, bevor er ihm in harschem Ton und knappen Worten vorschlug, noch heute von seinem Amt zurückzutreten, wenn er nicht mit Schimpf und Schande aus dem Dorf gejagt werden wollte.
    »Ihr wisst, dass ich Euch ohne Umschweife im Südturm einsperren und so lange darben lassen kann, bis in Immenstadt entschieden wird, wie es mit Euch weitergeht?«
    Berging schluckte zwar, versuchte aber trotz dieser Drohung weiter, sich wortreich zu verteidigen. Doch der Kastellan nutzte die Gunst des Augenblicks und ließ ihn nicht ausreden. Stattdessen zog er selbst alle Register der Verhörtaktik. Aha, er wird unruhig, dachte er sich bald und legte nach, indem er dem inzwischen in Schweiß Gebadeten seine letzte Anschuldigung, die bei Gericht sogar durch einen Zeugen untermauert werden konnte, vor den Latz knallte: »Und was war mit den Granitsteinen in der alten Schranne?«, fragte er.
    Obwohl der Ortsvorsteher wusste, dass es dafür Zeugen geben musste, versuchte er wieder, sich wort- und gestenreich herauszuwinden.
    Der Kastellan sah ihm dabei nur argwöhnisch zu und wartete, bis der offensichtlich begnadete Komödiant den Vorhang zog, bevor er selbst zum Finale furioso ansetzte: »Noch ein Wort und mir platzt der Kragen! Ist das klar?«
    Der Ortsvorsteher nickte eingeschüchtert und wischte sich, während er unruhig auf seinem Stuhl hin und her rutschte, den Schweiß aus dem Gesicht. »Entweder, Ihr tretet aus freien Stücken von Eurem Amt zurück oder ich schicke Euch in die Acht!«
    Das saß. Diese Drohung musste der Ortsvorsteher erst
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