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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur
Autoren: Bernhard Wucherer
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erfahren hatte, ehrlich. »Aber das beste Geschäft habe ich mit dem Fälschen von Urkunden und anderen Schriftstücken gemacht«, gab der ehemalige Bibliothekar zu. »Ich war verdammt geschickt, und es war nur Zufall, dass sie mir auf die Schliche gekommen sind. So habe ich nicht nur meine dortige Arbeit verloren, sondern wäre auch um ein Haar in den Kerker gewandert. Natürlich haben sie mich nicht erwischt. Als ich gemerkt habe, dass man mich ertappt hat, habe ich sofort reagiert.«
    »Nun sag schon: Was ist passiert?«
    »Ganz einfach: Ich habe die nächstbeste Gelegenheit genutzt, ein Pferd geklaut und bin dann bei Nacht und Nebel durch ein unbewachtes Tor abgehauen. Da ich keine Zeit hatte, meine Flucht vorzubereiten, war es vonnöten, mich schnell für eine Richtung zu entscheiden. Und weil man mich im oberen Teil des Allgäus aufgrund meiner Arbeit gekannt hat, bin ich eben nach Westen geritten und in Staufen gelandet.« Noch während er dies sagte, merkte er, dass er versehentlich die Wahrheit über seine Flucht aus Immenstadt erzählte, weswegen er sich schnell korrigierte, um vom soeben Gesagten abzulenken: »Der Weg aus dem oberschwäbischen Ravensburg hierher war ganz schön beschwerlich.«
    Wäre nicht genau in diesem Moment die Schankmagd an den Tisch gekommen, wäre dem Medicus Bergings Lüge, dass er von Norden nach Staufen gekommen sein müsste, weil die oberschwäbische Türmestadt Ravensburg nun einmal dort liegt, vielleicht sogar aufgefallen.
    »Was ist?«, zischte er die Schankmagd an, nachdem diese an ihrem Tisch stehen geblieben war. Dass sie nur höflich wartete, weil sie dem Gast nicht ins Wort fallen wollte, wurde ihr nicht gedankt. »Was willst du?«, herrschte der Medicus sie noch einmal an, rechnete aber nicht damit, dass sich die dralle Bedienung mit Widerworten zu wehren wusste. Sie baute sich vor ihm auf, stützte die Arme in die breiten Hüften und sagte mit festem Ton.
    »Ein falsches Wort und ihr fliegt sofort raus! – Ist das klar?«
    »Schon gut. Beruhige dich und sag uns, was du von uns willst«, mischte sich Ruland Berging, der jetzt keinen Streit gebrauchen konnte, ein. Aber erst, als er der Magd ein paar Heller in die Hand drückte, war die derbe Dorfschönheit beschwichtigt und antwortete ordentlich: »Da gleich der Nachtwächter seine letzte Runde macht, soll ich euch vom Wirt ausrichten, jetzt wäre noch Gelegenheit, ein letztes Bier zu bestellen!«
    »Na klar!«, rief der inzwischen angeheiterte Medicus erfreut. »Bring uns noch zwei Krüge!« Er wandte sich wieder seinem Gegenüber zu: »Und du erzählst weiter!«
    Da Ruland Berging keinesfalls unangenehm auffallen und bis zur Runde des Nachtwächters seine unrühmliche Lebensgeschichte beendet haben wollte, legte er gleich los: »Nachdem ich den Rest der ersten Nacht in Staufen in einem Heustadel verbracht hatte, bin ich frühmorgens zum Dorfschmied, um gegen Bezahlung mein auffälliges Pferd unterzustellen.«
    »Zu Baptist Vögel?«
    Der Ortsvorsteher nickte.
    »Ja! Dass er so heißt und dass er mit Vorsicht zu genießen ist, habe ich damals noch nicht gewusst. Als es ver…«
    »Und der Schimmel? … soll dein Pferd sein? Dass ich nicht lache«, fiel ihm der Medicus ins Wort.
    »Soll ich nun weitererzählen oder nicht?«, knurrte der Pferdedieb zurück.
    Heinrich Schwartz schloss die Augen, senkte den Kopf und deutete ihm mit einer Handbewegung an, er möge fortfahren.
    »Gut!«, sagte der Ortsvorsteher und erzählte weiter: »Nachdem das Pferd versorgt war, habe ich mich an einem Brunnentrog gewaschen und in aller Heimlichkeit das Dorf inspiziert. Ich habe mich versteckt, mir einen Bart wachsen lassen und mir einen neuen Namen zugelegt.«
    »Das … das heißt …« Dem Medicus fiel der Unterkiefer herunter.
    »Ja! Erst seit diesem Tag nenne ich mich Ruland Berging. Meinen alten Namen habe ich für alle Zeiten verdrängt – der geht niemanden mehr etwas an. Ich habe mir dann einen sicheren Unterschlupf gesucht und mich so lange nicht sehen lassen, bis mein Bart einigermaßen gewachsen war. Erst dann bin ich ab und zu unter die Leute gegangen und habe festgestellt, dass mich tatsächlich niemand kennt. Dies hat mich irgendwann ermutigt, beim Ortsvorsteher Heimbhofer nach Arbeit zu fragen. Arbeit habe er zwar keine, vielleicht ergebe sich zu einem späteren Zeitpunkt etwas, dafür könne er mir eine billige Unterkunft anbieten, hat mir der alte Mann in Aussicht gestellt. Und so bin ich in eine direkt über seiner
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