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Die Papiermacherin

Titel: Die Papiermacherin
Autoren: Conny Walden
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entstammten. Ein Junge spuckte daraufhin aus. Wenig später wurde ein Klumpen aus trockenem, recht festem, aber nichtsdestotrotz entsetzlich stinkendem Kameldung geworfen. Li versuchte, sich mit den Armen zu schützen.
    Es folgten Steine und Erdklumpen, die durch die Luft regneten, während einer der Gefangenen rief, er sei doch Tangute und stamme keineswegs vom Han-Volk ab. Aber Tanguten schienen in diesem Zeltlager nicht beliebter zu sein als Menschen aus dem Reich der Mitte. Und so bekam der Tangute – ein vornehmer Händler, dessen ebenso vornehme Kleidung durch den Gewaltritt der letzten Tage ohnehin arg gelitten hatte – noch ein paar zusätzliche Dreckklumpen ab.
    Aber eine durchdringende Stimme ließ alle anderen verstummen. Es war Toruk höchstpersönlich, der diesen Mob zum Schweigen brachte. »Kümmert euch um die Pferde! Und gebt dann den Gefangenen Wasser, Decken und etwas zu essen!«
    »Sind wir die Gastgeber dieser hochnäsigen Stadtleute?«, rief die Frau, deren Mann offenbar irgendwann im Kampf gegen die Soldaten des Reichs der Mitte umgekommen war. Wahrscheinlich bei einem der Überfälle, die die Nomaden inzwischen wohl schon bis ins Kernland führten. Oder sie hatten sich als Söldner eines aufständischen Kriegsherrn anwerben lassen. Die Frau verzog verächtlich das Gesicht.
    »Diese Gefangenen sind wertvoller Besitz – und den wirst auch du pflegen wie einen guten Sattel!«, herrschte Toruk sie an, woraufhin sie verstummte.
     

Drittes Kapitel

Arnulf von Ellingen
     
     
     
    Byzanz!
    Konstantinopel.
    Nova Roma …
    Wie viele Namen hatte diese mächtigste aller Städte der Christenheit schon getragen – Namen mit geradezu legendärem Klang. Arnulf von Ellingen zügelte sein Pferd und blickte die gewaltigen, ehrfurchtgebietenden Mauern empor, die weder Goten noch Hunnen, Bulgaren oder Araber hatten überwinden können.
    Die Kaiserpfalz in Magdeburg kam Arnulf dagegen wie ein befestigtes Gehöft vor – und das, obwohl man dort seit der Regentschaft von Kaiser Otto Magnus und seiner ersten Gemahlin Editha versucht hatte, ein Rom an der Elbe zu schaffen. Dessen imposanter Palast mochte zwar das Oktogon des großen Karl in Aachen übertreffen, doch gegenüber dem, was man in Konstantinopel finden konnte, wirkte es im Grunde ärmlich.
    Der Ritter aus dem Geschlecht derer von Ellingen setzte den Helm ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Das dunkelblonde Haar war fast schulterlang. Der Bart war wohl erst während der Reise entstanden, die dieser Mann hinter sich hatte. Er trug ein ledernes Wams und darüber einen Umhang, der auch dafür sorgte, dass sein Schwert nicht so deutlich hervortrat. Die wachen, grünen Augen konnten kaum den Blick von den gewaltigen Mauern wenden, deren einzelne Steine einst mit einer Präzision aufeinandergeschichtet worden waren, die Arnulf nur bewundern konnte – hatte er doch selbst schon zeitweilig den Bau von Burgen in der Billunger Mark überwacht. Daher war ihm bewusst, welcher Leistung es bedurfte, um einen solchen Schutz zu errichten.
    Eine Mauer für die Ewigkeit, dachte Arnulf.
    Schon aus der Ferne hatte die Stadt, die von den normannischen Händlern einfach nur Miklagard – die große Stadt – genannt wurde, einen überwältigenden Eindruck auf Arnulf gemacht. Golden schimmernde Kuppeln, Kirchen, so groß, dass ganze Burgen darin verschwinden würden, und dahinter das blaue Band jener Meerenge, die die pontische See mit dem Mittelmeer verband.
    »Worauf wartet Ihr?«, drangen die Worte einer heiseren, sehr dunklen Stimme zu ihm. »Die Mauern dieser Stadt könnt Ihr auch von der anderen Seite bestaunen, und glaubt mir, sie sind keineswegs die größten Wunder, die es in Konstantinopel zu sehen gibt!«
    Die Stimme gehörte einem Mann in einer Mönchskutte, der auf einem mageren Schecken ritt, dessen Stockmaß wesentlich niedriger war als bei Arnulfs edlem Ross. Der Mönch drückte seinem Tier die Fersen in die Flanke und zog an dem Ritter vorbei. Nach ein paar Pferdelängen hielt sein Pferd plötzlich an, und der Mönch drehte sich im Sattel herum. »Ihr wollt doch nicht so lange warten, bis alle Tore geschlossen sind! Oder man uns für bulgarische Spione hält, weil wir uns die Mauern zu genau ansehen.«
    Arnulf löste sich von dem Anblick. Ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen, und er strich sich über das markante Kinn mit dem ungewohnten Bart, der nach all den Wochen, die sie ununterbrochen unterwegs gewesen waren, immer
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