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Die Papiermacherin

Titel: Die Papiermacherin
Autoren: Conny Walden
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seit seinem letzten Aufenthalt in einigen Punkten geändert. Bereits das, was sie auf dem Weg durch Thracien erfahren hatten, war für Fra Branaguornos Ohren überaus erstaunlich gewesen. Die Warägergarde des Kaisers gab es zwar auch vor Jahren schon – aber die Krieger aus dem rauen Norden waren mit Wichtigerem beschäftigt als damit, Tore zu bewachen. Dass der Kaiser die Elite der Soldaten mit so profanen Aufgaben betraute, war ein Zeichen dafür, wie unsicher man sich trotz der gewaltigen Mauern fühlte, die sich vom Marmarameer bis zu einer Bucht mit dem Namen Goldenes Horn zogen und damit die auf einer Halbinsel liegende Stadt nach Westen hin vollkommen abschlossen.
    Der Warägeroffizier musterte noch einmal Branaguorno von oben bis unten, dann wandte er sich zunächst Arnulf und dann Gero zu. »Saxland!«, sagte er noch einmal, diesmal wie eine Feststellung.
    Unter den Nordmännern war Saxland ein Sammelbegriff, der nicht nur das Land der Sachsen zwischen Elbe und Ems, sondern alle Herzogtümer des Regnum Teutonicorum umfasste. Manchmal bezeichneten die Nordmänner damit sogar das gesamte Reich Kaiser Ottos und schlossen außer den Ländern zwischen Alpen und Nordsee Italien und Burgund mit ein. Warum auch nicht? Da die Sachsen den deutschen König und den römischen Kaiser stellten, hatten sie offensichtlich unter allen Völkern des Reichs die Vorherrschaft.
    »Wir kommen mit einer schriftlichen Botschaft von Kaiser Otto«, sagte Arnulf. Die Sprache der Sachsen war von jener der Nordmänner nicht so verschieden, dass man sich nicht hätte verständigen können, wenn man sich Mühe gab und nicht zu schnell sprach. Bisweilen, so hatte Arnulf schon des Öfteren gedacht, war es für einen Sachsen schwieriger, einen Schwaben oder Baiern zu verstehen als einen Dänen.
    »Mir reicht es schon, dass Ihr keine Bulgaren seid«, meinte der Waräger. »Ich bin Thorstein aus Birka und diente früher dem König von Orkney, bevor ich mich von den Kiewer Rus anwerben ließ und schließlich hier, in der goldenen Stadt, mein Glück gemacht habe.«
    »Es ist mir eine Freude, Euch kennenzulernen, Thorstein aus Birka!«
    »Ganz meinerseits.« Er lachte. »In Britannien habe ich gegen euch Sachsen gekämpft und bin immer siegreich gewesen.«
    »Nun, hier braucht Ihr Euch nicht davor zu fürchten, dass ich gekommen wäre, um das zu rächen.«
    »Da bin ich aber froh!«, meinte Thorstein ironisch, und seine Männer konnten sich ein Lachen nicht verkneifen. Der Offizier wandte sich dann an Gero. »Du bist der Knappe dieses edlen Ritters?«
    »So ist es«, nickte Gero, sichtlich verlegen.
    »Ich weiß nicht, was man dir über uns aus dem Norden erzählt hat, aber dass du der Ansicht bist, unsereins könnte nicht dazu taugen, Lesen zu lernen, ist schon fast ein Grund, dich herauszufordern!«
    Die anderen Waräger lachten – und Fra Branaguorno schien sehr erleichtert darüber zu sein, dass Thorsteins Worte offenbar als Scherz gemeint waren.
    Thorstein und seine Männer ließen sie passieren – allerdings erst, nachdem sie sich genauestens hatten zeigen lassen, welche Waffen die drei Männer mit sich führten. In Fra Branaguornos Fall waren das ohnehin nur die Waffen des Geistes – und was Arnulf und Gero betraf, so hatte niemand etwas dagegen, dass sie ihre Schwerter mit sich führten. Wohl aber suchten die Krieger der kaiserlichen Leibgarde nach brennbaren Stoffen, besonderen Ölen oder dergleichen, die vielleicht darauf schließen ließen, dass hier jemand beabsichtigte, einen Brand zu legen und der Stadt zu schaden.
    Wer so etwas in die Stadt einführte, brauchte dazu eine besondere Genehmigung.
    Schließlich wurde es Arnulf und seinen Begleitern gestattet, das Tor zu durchreiten.
    Etwas mehr als zehn Schritte eines großgewachsenen, langbeinigen Mannes breit waren die Mauern, die Konstantinopel schützten. Von der Innenseite aus waren Türen zu sehen, die wohl zu Wachstuben und Unterkünften der Bewacher führten. Die Wehrgänge mit ihren Zinnen, von denen aus die kaiserlichen Soldaten das Umland beobachteten, mussten breiter sein als im Reich Kaiser Ottos die meisten Straßen.
    Gero konnte nicht anders, er wandte sich noch einmal im Sattel um. Ganze Fuhrwerke würden auf diesen Gängen die Mauer entlangfahren können, und es musste ohne weiteres möglich sein, auch größere Katapulte dort zu bewegen.
    Es blieb Gero kaum Zeit, sich umzusehen, denn mehr als ein Dutzend Bettler umringten ihn und seinen Herrn bereits. Den
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