Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Papiermacherin

Titel: Die Papiermacherin
Autoren: Conny Walden
Vom Netzwerk:
Handwerkskunst zu sehen.
    Zwanzig Lehrlinge hätte sie beschäftigen können, und es wäre noch genug Arbeit da gewesen. Ordensleute waren begierig auf das neue Schreibmaterial, und Händler wollten so viel wie möglich davon kaufen.
    Da nicht viele Sachsen lesen und schreiben konnten, hatte Li anfangs befürchtet, dass deshalb das Interesse an ihren Erzeugnissen sehr gering sein könnte, doch das Gegenteil war der Fall. Wie sich herausstellte, waren Bilder in diesem Volk sehr beliebt, und offenbar herrschte überall Mangel an geeignetem Material.
    Und doch – trotz aller guten Vorzeichen geriet die Papierherstellung immer wieder ins Stocken. Der Mangel an Lumpen war ein unüberwindlicher Engpass. Schon in Venedig hatte er sich überdeutlich gezeigt – und hier trat er noch viel deutlicher hervor. Die Lumpen verteuerten sich und mit ihnen das Papier – und zwar auf eine Weise, dass es unerschwinglich zu werden drohte. Dazu kam das Klima, das feucht und kühl war. Papiere aus Hanf oder anderen heimischen Pflanzen hielten unter diesen Bedingungen zumeist nicht das, was man von ihnen erwartete.
    Vier Jahre vergingen. Das erste Kind – ein Mädchen – starb früh, aber das zweite – ein Sohn – gedieh prächtig. Nur noch selten wurde in der Papierwerkstatt gearbeitet. Manchmal kamen Mönche und Schreiber auf Fußmärschen von mehreren Tagen nach Burg Ellingen, um sich etwas Papier anfertigen zu lassen. Häufig mussten dabei ganz besondere Wünsche erfüllt werden, was Li sehr gerne tat – liebte sie doch die Kunst ihres Handwerks nach wie vor über die Maßen.
    Aber diese Besuche wurden immer rarer.
    Mochte Papier an anderen Orten, die sie kennengelernt hatte, bereits zum Lebenselixier von Wissenschaft und Gelehrsamkeit geworden sein – hier war dieser Stoff anscheinend noch weit davon entfernt. Vielleicht würde sich das eines Tages ändern.
    Dennoch war Li glücklich. Sie hätte nirgendwo anders leben wollen.
    Li saß an einem Schreibpult, und ihre Feder kratzte über ein Papier von besonderer Festigkeit, denn Li hatte es geschaffen, damit es die Zeiten überdauerte.
    Arnulf näherte sich ihr, legte ihr zärtlich den Arm um die Schulter und küsste sie auf die Stelle am Nacken, die ihr Kleid frei ließ.
    »Du schreibst griechische Buchstaben«, stellte Arnulf fest.
    »Sie gehen mir am schnellsten von der Hand«, sagte sie. »Und es ist eine Sprache, die alle Gelehrten wahrscheinlich noch in Jahrhunderten verstehen …«
    »Schon seit Tagen verbringst du jede freie Stunde an diesem Pult. Was ist so wichtig, dass es unbedingt aufgeschrieben werden muss?«
    Li wandte den Kopf, und ihre Blicke begegneten sich auf dieselbe Weise wie damals in Samarkand. Sie legte die Feder zur Seite, schlang ihre Arme um seinen Hals. »Ich möchte alles bewahren«, sagte sie. »Unsere Liebe genauso wie die Kunst des Papiermachens, die mich mein Vater gelehrt hat. Du hast ein Gut und ein Lehen, die du vererben kannst. Ich nur das Wissen meines Vaters.«
     

Epilog

     
     
     
     
    Aus einem Brief des Johannes Arnulf von Ellingen vom 14. Mai 1399
    So fand ich unter all dem Zeug, das in dem verborgenen Schubfach des Pults die Zeiten überdauert hat, eine Reihe von Blättern, voll mit griechischen Buchstaben, über deren Inhalt niemand etwas zu sagen wusste. Da ein Gesandter des Herrn Medici aus Florenz in Magdeburg weilte und, wie bekannt wurde, im Auftrag seines Herrn überall in der Welt nach griechischen Schriften aus der Zeit des Heidentums suchte und dafür große Beträge zu zahlen bereit war, schickte ich einen Boten aus, der diesem Gesandten die Papiere zur Prüfung andienen sollte.
    Daraufhin kam der Gesandte des Herrn Medici – Marco D’Andrea geheißen – nach Burg Ellingen und prüfte jene Schriftstücke, über deren Herkunft und Wert wir keine Vorstellung hatten.
    Ich konnte ihm nur sagen, dass das Pult, in dem die Dokumente gefunden wurden, Liutgert von Ellingen gehört hat, einer Vorfahrin, von der man erzählt, sie habe einst eine Weile in Konstantinopel gelebt.
    Unser Gast sah sich die Papiere an und stellte fest, dass es sich um die Anleitung zur Führung einer Papiermühle handle, wie man sie heute in der Nähe vieler größerer Städte und geeigneter Flüsse finden könne. Er wunderte sich sehr, dass diese Kunst bereits so früh im Ellinger Land bekannt gewesen sei, wo man doch bisher angenommen habe, dass sie von den Arabern stammte.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher