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Die Papiermacherin

Titel: Die Papiermacherin
Autoren: Conny Walden
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gefährlich und beschwerlich, wie Li es sich zuvor ausgemalt hatte. Aber vielleicht hatte diese Einschätzung damit zu tun, dass sie so frohen Herzens war wie lange nicht und dass es ihr deshalb leichter fiel, alle Strapazen dieser Reise zu ertragen.
    Als sie Magdeburg erreichten, kam ihr der Ort sehr klein, aber der Palast sehr groß vor. Überhaupt war ihr unterwegs ein Mangel an Städten in den Ländern des Regnum Teutonicorum aufgefallen. Die meisten Menschen dieses Reichs waren offenbar Bauern. Es gab nur wenige Händler und noch weniger städtische Märkte, wo sie ihre Waren hätten anbieten können.
    Aber warum sollte sie, die in Samarkand und Konstantinopel kein Glück gefunden hatte, es nicht hier finden? Es gab nichts, was dagegen sprach. Nur an das schlechte Wetter würde sie sich wohl erst gewöhnen müssen. Eine nasskalte Kühle lag in der Luft, und Dunst hing über dem nahen Fluss. Wichtiger aber war die Wärme, die sie in ihrem Herzen fühlte.
    Am Stadttor begrüßte einer der Wächter Arnulf mit seinem Namen.
    »Wen führt Ihr denn da mit Euch?«, rief der Hauptmann der Torwächter, mit dem zusammen Arnulf im letzten Jahr in die Billunger Mark gezogen war.
    »Meine zukünftige Gemahlin!«, antwortete Arnulf. »Man wird sie Liutgert von Ellingen heißen!«
    »Ihr seid anscheinend zu beglückwünschen, Arnulf!«
    Sie passierten das Tor und erreichten bald darauf den Marktplatz.
    »Während ich im Land der Eisenberge war, hat hier eine neue Zählung der Zeit begonnen«, sagte Arnulf. »Und die beginnt nun wohl auch für uns.«
    Nur ein paar Tage blieben sie in Magdeburg. Fra Branaguorno – der im Land der Sachsen meistens Bruder Branagorn genannt wurde – war in der Stadt und gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass nun auch in der Residenz des römischen Kaisers bald eine eigene Papierherstellung entstehen werde. »Falls Ihr Euch selbst in Zukunft nur noch als Herrin mit anderen vordringlichen Aufgaben betrachtet, so gebt Euer Wissen wenigstens weiter«, sagte er zu ihr auf einem der großen Festbankette des Kaisers, an dem die halbe Stadt teilnahm und bei dem sich Arme und Bettler ebenso satt aßen wie Ritter und Fuhrleute. »Das Wissen ist das Kostbarste, was Ihr besitzt. Und Eure Art, Papier zu schöpfen, ist es ganz bestimmt wert, bewahrt zu werden!«
    »Seltsam, dass Ihr beinahe dieselben Dinge mit anderen Worten ausdrückt, die auch mein Vater mir immer gesagt hat«, stellte Li fest.
    »Ich gebe zu, dass ich Euch mit großer Skepsis begegnet bin, weil ich fürchtete, dass Ihr Arnulf von seinem Weg abbringen könntet«, gestand Fra Branaguorno. »Ich gebe auch zu, dass ich Euch jederzeit geopfert oder zurückgelassen hätte, wenn es notwendig gewesen wäre. Aber was den schlechten Einfluss angeht, den ich Euch unterstellte, habe ich mich getäuscht.«
    »Es freut mich, dass Ihr Eure Meinung geändert habt, denn ich weiß, dass Arnulf sehr viel auf Euren Rat gibt.«
    »Eure Liebe scheint ihn zu sich selbst geführt zu haben, anstatt ihn von seinem Weg zu entfernen«, antwortete der Mönch.
    In der Kapelle von Burg Ellingen traten Arnulf und Li vor den Altar und ließen sich trauen. Während Li an Arnulfs Seite stand und der Burgkaplan seinen Segen sprach, gingen ihr unendlich viele Gedanken durch den Kopf. Was für ein weiter Weg lag hinter ihr! Aber sie hatte das Gefühl, jenen Ort erreicht zu haben, für den sie bestimmt war. Ein Ort, der noch ihren Enkeln und Urenkeln gehören würde, wenn sie das Erbe bewahrten.
    Sehr zärtlich nahm Arnulf ihre Hand und steckte ihr seinen Ring an – einen Ring mit der gleichen Gravur wie jene mit Zucker gefüllte Silberdose, die Arnulf ihr in Venedig geschenkt hatte und die sie seitdem immer bei sich trug. Sie blickte in seine meergrünen Augen und schluckte.
    In einem der Nebengebäude auf Burg Ellingen, das ursprünglich als Stallung gedient hatte, richtete Li ihre neue Werkstatt ein. Arnulf unterstützte sie dabei nach Kräften, denn er wusste, dass diese Werkstatt mehr war als einfach nur ein Gewerbe. Alles, was sie brauchte, ließ er heranschaffen, und wann immer man einiger Lumpen habhaft werden konnte, kaufte Arnulf sie auf.
    Schon nach wenigen Monaten wurde auf Burg Ellingen Papier hergestellt. Nie zuvor hatte man etwas Ähnliches im Land um Magdeburg gesehen. Die Wasserzeichen wurden von den Bewohnern der Burg als wahre Wunder betrachtet, und es bemühten sich Kaufleute und Mönche eigens aus Magdeburg nach Burg Ellingen, um diese Wunderwerke der
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