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Die Opferung

Die Opferung

Titel: Die Opferung
Autoren: Graham Masterton
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Augen weiteten sich vor Schmerz. Einer ihrer fetten Arme schoss hilflos nach oben, doch sie musste von Anfang an gewusst haben, dass sie sterben würde. Mazurewicz bewegte das Messer nach oben und öffnete sie mit einem grotesken Kaiserschnitt, als das Ding, das in ihr herangewachsen war, beschloss, sich den Weg nach draußen mit Gewalt zu bahnen.
    »Oh Gott«, sagte Miller.
    Die gesamte Kapelle erzitterte, der Himmel wurde ringsum von Blitzen zerrissen.
    Vanessas Bauch riss auf, und in der entstandenen Öffnung kamen Tentakel zum Vorschein, die an einen Tintenfisch erinnerten. Immer mehr Arme drängten nach draußen, bis ihr ganzer Bauch von zappelnden Tentakeln überzogen war.
    »Der Sohn des Speichels«, rief Billings. »Der Sohn des Speichels! Ja! Ja!«
    Entsetzt sah ich in Vanessas Gesicht. Sie lebte immer noch und fühlte alles. Welche Schmerzen sie dabei aushielt, vermochte Gott allein zu sagen. Einen Augenblick später hörte ich ihre Rippen brechen, und die tentakelbewehrte Bestie erhob sich und gewann an Größe.
    Vanessa riss die Augen auf, und gleißende Lichtstrahlen schössen aus ihrem Inneren heraus. Auch ihr Mund öffnete sich weit, aus ihm trat ebenfalls ein Lichtstrahl. Dann explodierte ihr Kopf, und eine zuckende Kugel aus strahlendem Protoplasma kam zum Vorschein, gefolgt von drei oder vier weiteren, die alle wie schimmernde gasförmige Quallen aussahen.
    »Der Sohn des Samens!«, verkündete Billings.
    Dann folgte eine weitere blutige Explosion, die Vanessa in tausend Stücke zerriss. Aus ihren Überresten erhob sich ein riesiger schwarzer formloser Schatten, der von einer Aura völliger Kälte und unendlicher Bösartigkeit umgeben war.
    »Der Sohn des Blutes! Tekeli-li! Tekeli-li!«
    Die drei abscheulichen Söhne der Alten schwebten in der Luft über dem, was von Vanessa Charles übrig geblieben war. Nach Tausenden von Jahren im Verborgenen waren sie endlich zurückgekehrt, um wieder über eine öde und vergiftete Welt zu herrschen. Ich verstand nicht wirklich, wer sie waren oder woher sie eigentlich kamen. Aber ich hatte das Gefühl, dass sie glaubten, die Erde gehöre ihnen, nicht uns, und dass sie keine Gnade walten lassen würden, um sie wieder für sich zu beanspruchen.
    Mazurewicz wischte das Messer an seinem Mantel ab und trat mit gesenktem Haupt zurück. Billings ging zur gleichen Zeit mit ausgestreckten Armen auf die drei schwebenden Wesen zu und begrüßte sie wie Götter.
    »Ich habe euch zurückgeholt!«, rief er. »Ich habe euch zurückgeholt! Sohn des Samens, Sohn des Speichels und Sohn des Blutes! Ich habe euch zurückgeholt! Jetzt könnt ihr euch vereinen, und ich kann ein Teil von euch werden!«
    Ich begann, eine düstere Unruhe zwischen den drei Kreaturen zu spüren. Das tintenfischähnliche Ding rollte seine
    Tentakel auf, die leuchtenden Kugeln zogen sich zusammen. Über ihnen hing der kalte schwarze Schatten in der schwefelhaltigen Luft und wirkte wie ein Vorhang zu Beginn einer fantastischen Zaubernummer.
    Es hatte sogar etwas mit Zauberei zu tun - jener ursprünglich vormenschlichen Zauberei, die uns Hexen und Wunderheiler und Seher beschert hatte.
    Völlig furchtlos trat Billings in die blutigen Überreste von Vanessa Charles, einen Fuß stellte er auf ihr zerschmettertes Rückgrat, dann warf er den Kopf nach hinten.
    »Jetzt könnt ihr euch vereinen!«, schrie er. »Und ich kann ein Teil von euch werden!«
    Mir wurde bewusst, dass ich einem genealogischen Ereignis beiwohnte, das so bedeutend war wie die erste Zellteilung oder die ersten Gehversuche eines Fisches an Land oder die ersten Laute einer affenähnlichen Kreatur beim Versuch, Worte zu bilden. Die Zukunft des gesamten Planeten hing von diesem einen entscheidenden Augenblick ab. Nicht nur die Zukunft, auch die Vergangenheit.
    Hoch über mir wurde das Tentakelding von der Schwärze des Schattens aufgesogen, gefolgt von den leuchtenden Kugeln. Übrig blieb eine riesige, dunkle Wolke, die so kalt war, dass ihre Kälte abstrahlte. Yog-Sothoth, drei in einem, die Unselige Dreifaltigkeit, aus der die Alten geschaffen worden waren, die Hölle auf Erden. Und Mazurewicz, der Teufel, war der Geburtshelfer.
    Die Welt hatte in meinen Augen nie wirklich Sinn ergeben. Wir befanden uns auf diesem Planeten, der durchs All flog, doch den Grund für unsere Anwesenheit konnte eigentlich niemand erklären. Jetzt aber, da der eisig kalte Schatten von Yog-Sothoth über mir schwebte, kam es mir so vor, als gebe es auf jedes Rätsel des
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