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Die Opfer des Inzests

Die Opfer des Inzests

Titel: Die Opfer des Inzests
Autoren: Nathalie Schweighoffer
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mich.
    Kurze Zeit später wurden mein Vater und
ich aufs Kommissariat bestellt. Erst mußte ich allein vor den Polizisten
aussagen. Wieder verheimlichte ich die sexuellen Handlungen mit meinem Vater.
Hinterher wurde er ebenfalls separat vernommen. Dann rief man uns zusammen
herein. Der Beamte, der jetzt bei uns war, war offensichtlich ein Kumpel meines
Vaters. Sie redeten über Gott und die Welt, über alles, nur nicht über unser
Problem. Ich war wie erstarrt.
    Ein paar Tage später mußten meine
Eltern und ich zu Madame Loter, der Jugendrichterin von Mont-de-Marsan. Ich
glaube, meine Mutter und mein Vater hatten Angst.
    Als wir das Büro der Richterin
betraten, war Madame Furtel, die Erzieherin, bereits dort. Die Richterin sprach
sehr langsam und ruhig:
    ›Mir liegt eine schriftliche Erklärung
von Madame Furtel vor. Monsieur, Sie sind dabei, das Leben ihrer Tochter zu
zerstören.‹
    Sie musterte meinen Vater, aber der
schwieg. Sie fuhr fort:
    ›Sabine wird sofort aus ihrem
Elternhaus entfernt. Sie wird nur noch am Wochenende nach Hause kommen^
    Ich wußte nicht, was ich davon halten
sollte. Ich sollte meine Familie nicht mehr sehen? Ich fing an zu weinen. Mama
ebenfalls.
    Meine Eltern in einem Wagen und Madame
Furtel und ich in einem anderen, fuhren wir zu uns nach Hause. Ich mußte meine
Sachen packen. Als ich mein Zimmer betrat, brach ich zusammen. Man nahm mich
meiner Familie weg! Wohin würde man mich bringen? Vielleicht hätte ich doch
nichts sagen sollen. Ich war am Boden zerstört. Ich wußte nicht, welche Kleider
ich einpacken sollte. Ein Geräusch hinter mir. Mein Vater! Ich war allein mit
ihm. Das war mein Ende! Zitternd wich ich zurück.
    ›Bist du stolz auf dich? Glaub ja
nicht, daß alles vorbei ist, nur weil sie dich wegbringen. Eines Tages, früher
oder später, erwische ich dich.‹
    Er ging wieder nach unten.
    Weinen. Mama. Sie half mir beim Packen,
sah mich an, das Gesicht tränenüberströmt, und drückte mich fest an sich.
    ›Ich habe dich lieb, Mama.‹
    Mehr sagte ich zum Abschied nicht.
    Madame Furtel und ich jagten über die
Bundesstraße 10. Es war 20 Uhr. Ich dachte an das, was in diesem Moment bei uns
zu Hause vorgehen mochte. Sophie hätte bei mir sein können. Ließ mein Vater sie
wirklich in Frieden? Ich hätte auch sie erwähnen müssen.
    ›Du wirst sehen, Monsieur und Madame
Desplas, deine Pflegeeltern, sind sehr liebe Menschern, versicherte mir die
Erzieherin. ›Sie wohnen in Tarnos, nicht weit vom Meer.‹
    ›Aber ich habe doch eine Familie! Ich
will keine andere! Ich will nach Hause!‹
    ›Du weißt doch, daß das nicht geht.
Willst du weiter mit deinem Vater unter einem Dach leben?‹
    Sie hatte recht. Außerdem würde ich
Mama jedes Wochenende sehen. Das tröstete mich.
    ›Sie haben drei Kinder und zwei Hunde.
Du wirst dich dort wohl fühlen.‹
    Ich hatte die Familie Desplas noch
nicht einmal gesehen, als ich sie bereits haßte.
    Ein großes Haus. Wir betraten es durch
die Garage, gingen eine Treppe hinauf. Hunde bellten. Eine Tür wurde geöffnet.
Im Eßzimmer waren mehrere Personen. Jugendliche sahen fern, und sie, das
waren sicher die Eltern. Ich nahm die Szene in wenigen Sekunden in mich auf,
dann hielt ich den Blick gesenkt. Ich hörte Madame Furtel sagen:
    ›Ich habe Ihnen wie abgesprochen Sabine
gebracht.‹ Den Rest bekam ich nicht mit. Ich war in Gedanken ganz woanders. Die
Kinder sagten guten Abend. Ich antwortete nicht. Auch die Mutter sprach mich
an:
    ›Ich bin Sylvia, und mein Mann heißt
Philippe. Unsere Kinder sind William und Irène. Pierre ist Irènes Freund.
Marine ist nicht da, sie arbeitet in Hossegor. Und dann lebt noch Billy bei
uns, weil er ein paar Probleme hatte. Heute abend ist er bei einem Schulfreund.‹
Das alles war mir völlig gleichgültig.
    Madame Furtel zog sich mit Monsieur und
Madame Desplas in anderes Zimmer zurück. Eins ihrer Kinder fragte mich, ob ich
mich setzen wolle. Ich rührte mich nicht. Als Madame Furtel sich
verabschiedete, versprach sie mir, mich im Laufe der Woche zu besuchen. Sie
erklärte Madame Desplas, daß ich noch unter großem Streß stünde wegen dem, was
ich durchgemacht hätte, und daß sie mich nicht bedrängen solle.
    Madame Desplas forderte mich auf, in
der Küche Platz zu nehmen, und bot mir Wurst, Pastete und Brot an.
    ›Iß, was du willst.‹
    Sehr bedächtig, den Blick auf meinen
Teller geheftet, begann ich zögernd zu essen. Die Jugendlichen waren im
Eßzimmer geblieben. Anschließend zeigte
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