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Die Operation

Titel: Die Operation
Autoren: Robin Cook
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flatterten in der nächtlichen Brise, die vom Meer herüberwehte.
    »Meine Güte! Er ist draußen auf dem Balkon!«, schrie Stephanie. Sie hielt die Spritze, die alkoholgetränkte Kompresse und das Röhrchen an die Brust gepresst.
    Mit schmerzverzerrtem Gesicht rappelte sich Daniel auf. Er rannte an Ashley vorbei auf den Balkon hinaus und baute sich zwischen dem Senator und der Brüstung auf.
    »Herr Senator!«, rief Daniel und hob die Arme. »Gehen Sie ins Zimmer zurück!«
    Ashley rührte sich nicht. Er hatte die Augen geschlossen, und an Stelle des Entsetzens war nunmehr ein feierlicher Ausdruck auf seinem Gesicht zu sehen.
    Daniel schnippte mit den Fingern, um Stephanie auf sich aufmerksam zu machen. Mit fassungsloser Miene war sie kurz vor der Balkontür stehen geblieben. »Ist die Spritze voll?«, fragte er, ohne die Augen von Ashley zu nehmen.
    »Nein!«
    »Dann mach schnell!«
    »Wie viel?«
    »Zwei Kubik. Schnell.«
    Stephanie zog die Flüssigkeit auf, steckte das Röhrchen wieder ein und schnippte mit dem Zeigefinger gegen die Spritze, damit eventuelle Luftbläschen sich verflüchtigten. Hastig trat sie auf den Balkon hinaus und reichte Daniel die Spritze. Dann betrachtete sie Ashleys friedliches Gesicht. Er wirkte wie eine Statue. Regungslos stand er da, ja, er schien nicht einmal zu atmen.
    »Als wäre er zu Stein erstarrt«, sagte Stephanie.
    »Ich weiß einfach nicht, ob ich ihm das intravenös oder doch lieber intramuskulär geben soll«, sagte Daniel unschlüssig. Er machte einen Schritt auf Ashley zu, noch ohne zu wissen, wie er sich entscheiden würde. Da schlug Ashley die Augen auf. Ohne jede Vorwarnung schnellte er nach vorne. Daniel warf seine Arme um Ashleys Brustkorb und stemmte sich gegen den Boden. Aber es war, als versuchte man, einen wütenden Bullen aufzuhalten. Daniels Schuhe fanden keinen Halt auf den Keramikfliesen, und als die beiden Männer gegen das Geländer prallten, wurden sie von Ashleys Schwung über den Rand und in die Nacht hinaus geschleudert.
    »Nein!« Stephanie schrie auf, stürzte zur Brüstung und schaute nach unten. Zu ihrem unbändigen Entsetzen sah sie Ashley und Daniel, vereint in einer zeitlupenhaften, taumelnden Umarmung, wie zwei Liebende in den Abgrund stürzen. Schon im nächsten Augenblick hatte sie den Blick abgewandt und sackte zu Boden, den Rücken an die kalte Steinbalustrade gelehnt.

Epilog
    Montag, 25. März 2002, 6.15 Uhr
    Das leichte Morgengrauen, das vor einer halben Stunde noch kaum wahrnehmbar gewesen war, war nun deutlich erkennbar. Die Sterne waren verblasst und an ihre Stelle war ein sanftes, rosiges Glühen getreten, das den unmittelbar bevorstehenden Sonnenaufgang ankündigte. Die nächtliche Brise hatte sich gelegt. Selbst zweiunddreißig Stockwerke vom Erdboden entfernt war der unaufhörliche Gesang der Vögel zu hören.
    Stephanie und Carol saßen einander auf den beiden Sofas im Wohnzimmer einer Suite gegenüber, die zwar ähnlich groß war wie die Poseidonsuite, aber nicht ganz so luxuriös ausgestattet. Schon seit Stunden saßen sie so, regungslos, sprachlos, fast schon katatonisch nach dem Schock, den Ashleys und Daniels Sturz über das Balkongeländer verursacht hatte. Carol hatte als Erste reagiert. Sie war zum Telefon gestürzt und hatte der Vermittlung in äußerster Erregung mitgeteilt, dass zwei Menschen vom Balkon der Poseidonsuite gefallen waren.
    Carols entsetzte Stimme hatte Stephanie zumindest so weit mobilisiert, dass sie aufstehen konnte. Sie vermied es jedoch, über die Brüstung zu schauen, sondern rannte zur Tür und Hals über Kopf den Flur hinunter. Als sie atemlos auf den Fahrstuhl wartete, kam Carol ebenfalls an. Auf der Fahrt nach unten sprachen sie kein Wort. Sie starrten einander angesichts dessen, was sie gerade miterlebt hatten, nur ungläubig an. Beide hegten noch einen winzig kleinen Funken Hoffnung auf ein Wunder. Es war alles so schnell gegangen, dass sie es noch nicht glauben konnten.
    Die beiden Frauen fuhren bis zur so genannten Ausgrabungsstätte hinunter, wo sie an riesigen beleuchteten Aquarien vorbeilaufen mussten, in denen alle Arten von Meerestieren sowie die fantasievoll gestalteten Ruinen der geheimnisvollen Stadt Atlantis zu sehen waren. Vielleicht hätte es auch einen kürzeren Weg zum Hotelvorplatz gegeben, aber das war der einzige, den Carol kannte, und sie hatten keine Zeit zu verlieren.
    Als sie in die Nacht hinauskamen, wandten sie sich nach links, vorbei am Royal Baths Pool mit den
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