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Die Operation

Titel: Die Operation
Autoren: Robin Cook
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bis zu dieser Katastrophe jetzt.«
    »Sie waren dagegen?«, fragte Stephanie.
    »Natürlich! Ich habe von Anfang an versucht, es Ashley auszureden.«
    »Das überrascht mich aber.«
    »Wieso?«
    Stephanie zuckte mit den Schultern. »Ich weiß auch nicht so recht, wahrscheinlich, weil das heißt, dass wir beide ähnlich empfunden haben. Ich war auch dagegen. Ich habe versucht, es Daniel auszureden, aber leider nicht eindringlich genug.«
    »Anscheinend haben wir beide eine Art Kassandrarolle eingenommen«, sagte Carol. »Vom metaphysischen Standpunkt aus betrachtet ist das sogar absolut passend, schließlich hat sich das Ganze zu einer griechischen Tragödie ausgewachsen.«
    »Wie das?«
    Carol ließ ein kurzes, erschöpftes Lachen hören. »Ach, beachten Sie mich nicht weiter. Ich habe Literatur im Hauptfach studiert, und manchmal gehen meine Metaphern mit mir durch.«
    »Es interessiert mich aber«, sagte Stephanie. »Wieso war das eine griechische Tragödie?«
    Carol blieb einen Augenblick lang stumm und ordnete ihre Gedanken. »Wegen der Charaktere der Protagonisten«, sagte sie. »Da hätten wir also zwei Titanen, die in ihrer jeweiligen Arena kämpfen und doch von ähnlicher Hybris sind, die Großes erreicht, aber doch beide ein tragisches Laster haben. Bei Senator Butler war das die Liebe zur Macht, die von einem Mittel zum Zweck letztendlich zum Selbstzweck geworden ist. Bei Dr. Lowell war es, so nehme ich an, das Verlangen nach finanzieller und gesellschaftlicher Anerkennung, die er angesichts seines Intellekts und seiner Leistungen verdient zu haben glaubte. Als die Wege dieser beiden Männer sich gekreuzt und sie sich verschworen haben, den jeweils anderen für ihre eigenen Zwecke zu gebrauchen, da wurden sie buchstäblich von ihren tragischen Lastern zerschmettert.«
    Stephanie starrte Carol an. Sie hatte die distanziert wirkende Frau immer als farblos und langweilig empfunden, als Prototyp der Befehlsempfängerin. Doch plötzlich änderte sich ihr Bild, und sie fühlte sich im Vergleich deutlich weniger intelligent und gebildet als zuvor. »Was heißt das denn, eine Kassandra zu sein?«
    »In der griechischen Mythologie hatte Kassandra die Gabe der Prophetie erhalten, allerdings verknüpft mit dem Schicksal, dass niemand ihren Prophezeiungen geglaubt hat.«
    »Interessant«, sagte Stephanie wenig überzeugend. »Einmal habe ich Daniel damit aufgezogen, dass er Ähnlichkeit mit Ashley hätte.«
    »In gewisser Hinsicht waren sie sich wirklich ähnlich. Aber mich würde interessieren, wie Dr. Lowell auf Ihren Spott reagiert hat.«
    »Wütend.«
    »Das überrascht mich nicht. Senator Butler hätte auch so reagiert, wenn ich den Mut gehabt hätte, etwas Ähnliches zu äußern. Im Grunde genommen denke ich, dass die beiden gleichzeitig Bewunderung, Verachtung und Neid füreinander empfunden haben müssen. Irgendwie waren sie auf verdrehte Art und Weise Konkurrenten, typisch männlich.«
    »Kann schon sein«, sagte Stephanie, während sie sich das Gesagte durch den Kopf gehen ließ. Sie war nicht hundertprozentig davon überzeugt, dass Daniel viel Bewunderung für Ashley Butler gehegt hatte, aber ihr wurde auch klar, dass sie im Augenblick nicht in der Verfassung war, um wirklich darüber nachzudenken. »Haben Sie Hunger?«, fragte sie, um das Thema zu wechseln.
    Carol schüttelte den Kopf. »Überhaupt nicht.«
    »Ich auch nicht«, sagte Stephanie. Sie war erschöpft, aber schlafen konnte sie jetzt auch nicht, so viel war klar. Sie sehnte sich nach menschlicher Nähe und einem Gespräch, um sich nicht pausenlos mit dem Geschehenen zu beschäftigen. »Was haben Sie vor, wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind und wir die Bahamas verlassen dürfen?«
    »Ich weiß gar nicht, ob es überhaupt Untersuchungen geben wird, und wenn, dann höchstens oberflächlich und pro forma, hinter verschlossenen Türen.«
    »Ach? Wie kommen Sie darauf?«
    »Ashley Butler war ein altgedienter US-Senator und seine Partei hat im Kongress im Augenblick nur eine knappe Mehrheit. Das heißt, dass sich unverzüglich hochrangige Regierungsvertreter der Vereinigten Staaten um die Sache kümmern werden. Ich schätze, dass das alles sehr, sehr schnell zu Ende gebracht wird, weil das im Interesse aller liegt. Ich glaube sogar, dass es starke Bestrebungen geben wird, die Affäre vor den Medien geheim zu halten, falls das irgendwie möglich ist.«
    »Unglaublich!«, murmelte Stephanie, während sie sich das von Carol geschilderte Szenario
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