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Die Nacht der Haendler

Die Nacht der Haendler

Titel: Die Nacht der Haendler
Autoren: Gert Heidenreich
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Olivengärten. Lassen Sie dies bitte nicht von einem Ihrer Dienste besorgen. Bemühen Sie sich selbst. Wir können auch eines der älteren Männerprogramme wählen: Duell – ich mit ungeladener Pistole. So wird vielleicht, lieber Freund, das Geld zu retten sein. Nicht aber durch die von Ihnen vorgesehenen Maßnahmen. Denn Sie können nicht die Kommunikation von Börse zu Börse einstellen, den Händlern die Computer verbieten, den Banken und Regierungen die Verschiebung ungeheurer Zahlenmengen via Satellit, den Spekulanten ihr Gaunertum. Man kann die Digitalisierung der Menschheit nicht rückgängig machen. Das wäre gleichbedeutend mit dem Zusammenbruch des Zahlungsverkehrs der ganzen Welt, und Sie hätten bewirkt, was Sie zu verhindern suchten. Stellen Sie sich die Kriege um Ressourcen, Sachwerte und Immobilien vor! Natürlich werden weiterhin erhebliche Summen auf dem Transfer von Bank zu Bank, von Börse zu Börse und Regierung zu Regierung einfach aus den Rechnern verschwinden, Termingeschäfte werden durch Datenkonfusion wie Seifenblasen platzen, fiktive Aktienkäufe und Leerverkäufe, die plötzlich weltweit auf den Bildschirmen auftauchen, werden die Kurse so schleudern lassen, dass die gesündesten Konzerne in den Bankrott stürzen, bevor auch nur irgendein Händler nachprüfen konnte, dass es sich dabei lediglich um eine Manipulation der Kommunikation gehandelt hat. Was machen Sie, wenn Ihr Staatshaushalt morgen auf Null steht ? Noch schneller können die Rotationspressen das Bargeld nicht vermehren, das schöne bunte Papier, auf dem die Porträts großer Leute uns versichern, dass es die Geschichte der Menschheit gab, folglich auch ihre Gegenwart. Zugrunde gehen wird das Geld daran, dass kaum einer mehr sicher ist, ob es die Wirklichkeit, die es zu repräsentieren behauptet, tatsächlich noch gibt.
    Erinnern Sie sich an Giaccos Antwort auf meine Frage, ob er denn glaube, dass die Welt untergegangen sei? Er hatte an jenem sonnigen Tag in Pantasina die Welt wahrhaft unabweisbar vor Augen, die Olivengärten, die Dörfer und Campaniles und das Meer in der Ferne. Und dennoch sagte er: »Ich glaube, ich weiß es nicht.« Dies, lieber Freund, ist der Untergang. Wir wissen nicht mehr, was ist. Und wenn einer Sie fragen sollte, Herr Finanzminister, ob Sie denn glaubten, dass das Geld noch das Geld sei, werden Sie gleichfalls nur antworten können: »Ich glaube, dass ich es nicht weiß.« Sie würden dies natürlich nicht im Amt überleben und lieber aus Eitelkeit Hand an sich legen. Bevor Sie sich aber derart selbst in eine weitere Welt stürzen, von der wir nicht wissen, wie weit ihre Vernetzung reicht, kommen Sie her zu mir in die perfekte Idylle! Ich bin, damit wir uns nicht missverstehen, nicht gierig darauf, gelöscht zu werden. Ich genieße mein Leben. Und ich behalte mir vor, statt von Ihrer Hand zu sterben, Sie zu meinem Bundesgenossen im Denken zu machen … Wir Antimagisten verstehen es ja, Gegner zu umarmen. Kommen Sie! Man lebt hier wirklich im Glück. Die Natur ist intakt und schenkt uns die schönsten Bilder.
    Liliane ist hier, sie hat sich mit Charisia angefreundet. Sir Dschejdschej stellt die Berggipfel mit Kristallen voll, die schöne Lucia Vonghi arbeitet mit Liliane an kephalistischen Skulpturen, die keiner sieht, und die nicht minder schöne Elisabeth führt zwischen den Olivenbäumen ihr Krokodil an einer blauen Leine spazieren; der saufende Verräter Hans Stieftaal wird mit jeder Flasche gesünder, und schon ist auch Anna auf dem Weg hierher, die blinde Kluge! Jatsu Tsin mit seinem Vulkan im Kopf hockt gern unter dem im empfindlichen Gleichgewicht liegenden Pinienstamm und wartet darauf, dass er fällt; und viele andere herrliche Spinner, die an den Antimagismus geglaubt haben, kommen immer mal wieder vorbei, stellen sich auf meine Terrasse und jauchzen vor lauter Lust. Wir tragen, wenn Sie hier eingetroffen sind, in Körben auch für Sie Rotwein, Käse und Brot hinauf in die Berge, lagern uns unter den Pinien und träumen gemeinsam von immer weiteren Kopien der großen Festplatte WELT . Dann kommt unser Abend, dann naht unsere herrliche Nacht … Wir werden von hier oben zusehen, wie die goldglänzenden Lawinen des Geldes von den Bergen ins Meer rollen, wie sie sich verwandeln in Ströme feuriger Lava. Manche von uns werden beten. Andere tanzen. Einige in Schlaf sinken, endlich in Schlaf. Wir werden uns töten und auferstehen lassen, uns kopieren und immer weiter vervielfältigen, wir werden
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