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Die Nachhut

Die Nachhut

Titel: Die Nachhut
Autoren: Hans Waal
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ihn machen - höchstens wegen mir: Ich spürte meine Halsschlagadern zu Wasserschläuchen anschwellen, trat an sein Bett und genoss seine wehrlose Angst.
    »Ach«, sagte Gerd, als wollte er instinktiv das Schlimmste verhindern, »ihr kennt euch auch?«
    Was ich genau erwidert habe, weiß ich nicht mehr, wahrscheinlich, dass er mich gleich richtig kennenlernen werde oder so, vielleicht auch deftiger. Auf jeden Fall packte ich Zeitz an den Schultern und wollte ihn so lange schütteln, bis er mir alles gesagt haben würde: Wer noch alles mit Jäger unter einer Decke steckte. Seit wann er die Wahrheit über den Scheißbunker gewusst habe. Warum immer noch Menschen sterben mussten - und überhaupt: Zeitz sollte mir gefälligst erklären, was ich nicht verstand oder ertrug, nicht glauben wollte oder mir selbst anlastete ... Ich war außer mir, kurz vorm Durchdrehen - vielleicht auch schon drüber. Das verstehst du doch, Benny, nach diesen Tagen, oder etwa nicht?
    Ehrlich gesagt - nein. Ehrlich gesagt fand ich das nur noch peinlich: Keine zwei Minuten konnte man euch allein lassen, ohne dass ihr euren Scheißkrieg weiterführen musstet. Letztlich wart ihr genauso drauf wie Fritz oder Otto. Auch für euch gab es kein anderes Thema, als wärt ihr neidisch auf eure Eltern, hättet lieber damals gelebt, natürlich alles besser gemacht, schon klar.
    Mensch, Evelyn, einen Krankenbesuch wollten wir machen, bestenfalls noch einem alten Liebespaar zu ihrem letzten Wiedersehen verhelfen - aber du musstest erstmal zwei wehrlose 68er-Opas verprügeln, zumindest sah es so aus, als ich das Zimmer betrat.
    Ein Mann, den ich auch nicht gleich erkannte, wand sich unter deinen Händen. Seine Angst, mindestens aber seine Schmerzen waren nicht gespielt. »Bitte«, winselte er, »dafür braucht dieses Land doch keinen Grund! Das ist ein Reflex, ein Ritual, alles Kosmetik wie Lichterketten oder Mahnmale - das wissen Sie doch selbst ...« Gerd versuchte, dich mit einer Hand am Mantel zu ziehen, was du jedoch mit einem lässigen Tritt nach hinten abwehren konntest.
    »... oder die Geschichte mit den Amis, ihr Objekt Grimm, diese ganze Geheimnistuerei - erzählen Sie mir bloß noch, da stecken die Juden dahinter!«
    Das sollte wohl zynisch klingen, aber stand dir gar nicht.
    »Nein, natürlich nicht«, flehte Zeitz, »es ist nur so ...«
    Egal, was er sagte - der Professor konnte sich nur um Kopf und Kragen reden. Das war zwar fast immer so bei eurem Lieblingsthema, aber natürlich erst recht, wenn man als Stellvertreter herhalten musste wie Zeitz. Deine Wut galt Wolf Jäger, dir selbst, einer unsichtbaren Weltverschwörung womöglich - und du warst drauf und dran, den Falschen dafür mit der Bettpfanne zu erschlagen. Ich räusperte mich mehrmals, rief deinen Namen, es nutzte alles nichts. Erst als ich die Tür noch einmal öffnete und besonders laut zuknallte, ließt du von ihm ab.
    »Okay«, sagte ich und hatte mich doch innerlich längst von der Hoffnung verabschiedet, ihr könntet für eine halbe Stunde mal alle alten Geschichten vergessen. Aber die Zeit war knapp. »Jenny wird gleich wieder hier sein«, erklärte ich knapp und ließ Gerd gar nicht erst zu Wort kommen. »Ich weiß, es ist viel verlangt, aber ich habe ihr versprochen, dass ihr beide zu einem Interview bereit seid. Nicht aufregen, Gerd! Bitte Evelyn! Fritz liegt nur ein paar Zimmer weiter. Wenn ihr euch nicht zusammenreißt, stürzen sich die Tele-Vier-Geier auf Liesbeth und ihn.«
    Ich musste nicht erwähnen, dass es diesmal um mehr ging als eine exklusive Geschichte, und euer langes Schweigen nahm ich einfach als gutes Zeichen, auch wenn es für das überheizte Krankenzimmer immer noch ganz schön frostig rüber kam. Niemand achtete mehr auf den Professor, der langsam wieder zu Atem kam und mir, vermutlich aus Dankbarkeit, fast noch alles versaut hätte.
    »Also«, sagte er, »wenn es der historischen Wahrheit dient, stehe ich natürlich auch für ein Interview zur Verfügung.«
    Du hattest schon wieder Luft geholt, nicht wahr? Aber noch bevor du erneut aus der Haut fahren konntest, klopfte es schon.
    »Danke«, sagte ich, um das stille Abkommen schnell zu besiegeln. Dann öffnete ich die Tür und ließ euch mit Jenny und einigen Bauchschmerzen allein.
    Bauchschmerzen? Eine einzige Zumutung war das, und wenn ich gewusst hätte, dass draußen Wolf Jäger herumgeistert ... Aber das hast du mir ja vermutlich auch absichtlich verschwiegen.
    Gerd Busch stierte tapfer in den
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