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Die Moselreise - Roman eines Kindes

Titel: Die Moselreise - Roman eines Kindes
Autoren: Hanns-Josef Ortheil
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Mama ist nicht komisch.
    Wir haben im »Keglerheim« ein kleines Frühstück (zwei Scheiben Brot mit Marmelade, Pfefferminztee) gefrühstückt, und dann haben wir unsere Rucksäcke und Taschen zum Bahnhof gebracht und sie dort aufgegeben. Die Taschen sind ohne uns mit einem Zug weiter bis nach Moselkern gefahren worden, dort konnten wir sie später wieder am Bahnhof abholen. Wir selbst aber haben uns zu Fuß auf die Wanderung nach Moselkern gemacht.
     
    Während unserer Wanderung sind wir direkt an der Mosel entlang gewandert, auch die Eisenbahnstrecke verlief direkt entlang der Mosel, so dass die Züge manchmal ganz nahe an uns vorbei fuhren. Das Wandern war also ganz einfach, denn wir brauchten überhaupt keine Karten, wir gingen
einfach immer an der Mosel entlang, die Mosel war unser Reiseführer. Weil wir aber keine Karten brauchten und auch sonst nicht abgelenkt waren, konnten wir uns beim Wandern unterhalten, und so fragte ich Papa, was er denn am Morgen so alles aus der Zeitung erfahren habe, denn Papa hatte nach dem Frühstück noch kurz in einer Zeitung gelesen.
     
    Papa sagte, dass er einen Artikel über den neuen Papst gelesen habe, und dann erzählte er mir etwas über den neuen Papst, der Paul VI. heißt und der Nachfolger von Johannes XXIII. ist. Papa und Mama haben Johannes XXIII. sehr verehrt und gemocht, deshalb fragte ich Papa, ob er auch den neuen Papst, Paul VI., verehre und möge. Papa sagte aber, dass er das noch nicht sagen könne, vielmehr werde sich das noch herausstellen, und zwar dann, wenn der neue Papst einige Zeit im Amt sei. Dann erzählte Papa auch noch davon, dass der neue Papst früher Erzbischof von Mailand gewesen sei und dass er jetzt die große und schwere Aufgabe habe, das Zweite Vatikanische Konzil weiter zu führen und an ein gutes Ende zu bringen. Ich fragte Papa, wie man eigentlich so ein Konzil führe, und Papa erklärte es mir, und ich hörte gut zu und überlegte, was ich selbst tun würde, um ein Konzil gut zu Ende zu führen.
    Das Zweite Vatikanische Konzil
    Das Zweite Vatikanische Konzil hat im Oktober des vorigen Jahres begonnen. Viele Kardinäle und Bischöfe nehmen an ihm teil.

    Wenn ich Papst wäre, würde ich anordnen, dass jeder Kardinal oder Bischof, der an dem Konzil teilnimmt, an jedem Sonntag in Rom mit den Römern zu Mittag essen soll, und das immer an einem anderen Ort mit immer anderen Menschen.
    Durch das Mittagessen an immer einem anderen Ort mit immer anderen Menschen könnte der Kardinal oder Bischof erfahren, was die Menschen über das Konzil denken und was sie als Nächstes von ihm erwarten und ob sie gute Vorschläge haben, worüber man während des Konzils alles reden sollte.
    Wie gestern war auch heute sehr gutes Wetter, und Papa hat sich sehr gefreut, dass wir so ein Glück mit dem Wetter hatten, und auch ich habe mich sehr gefreut. Kurz vor Mittag sind wir dann in Kattenes angekommen. Der Name Kattenes kommt von den eisernen Ketten, die die Bewohner früher durch die Mosel gespannt hatten, um die Schiffe der Raubritter zu zerstören. Direkt an der Mosel gab es das »Weinhaus Gries«, das eine schöne, offene Terrasse mit viel Weinlaub drum herum hat, hier waren noch viele Tische frei, und so setzten wir uns an einen der freien Tische und ruhten aus. Papa trank ein Glas Moselwein, und ich trank einen Sprudel, und dann schrieb ich an Mama eine Karte.
    Postkarte 4
    Liebe Mama, heute wandern wir von Kobern-Gondorf nach Moselkern und machen gerade in Kattenes Rast. Das Wandern geht ganz leicht, denn es geht immer an der Mosel entlang. Wir haben uns überlegt, wie es mit dem Konzil weiter geht und was der neue Papst tun soll, damit es gut weiter geht. Hast Du da dazu auch ein paar Ideen? Herzliche Grüße von Deinem Bub

    Eigentlich wollten wir im »Weinhaus Gries« nur eine Rast machen, aber dann gefiel es uns dort so gut, dass wir gleich zum Mittagessen geblieben sind. Gegenüber von Kattenes, auf der anderen Moselseite, lag nämlich hoch oben auf einem Hügel die Burg Thurandt. Sie hat nicht nur einen, sondern gleich zwei mächtige Türme, und das gefiel Papa so gut, dass er begann, die Burg mit den zwei Türmen (»Bergfriede« sagt Papa dazu) zu zeichnen.
    Papa zeichnet
    Papa zeichnet mit der Brille auf der Nase. Er schaut über die Brille weg auf das, was er zeichnen will. Und er schaut durch die Brille hindurch auf das, was er zeichnet.
    Wenn Papa zeichnet, sieht man seine Zunge zwischen den Lippen.
    Wenn Papa zeichnet, verzieht er manchmal
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