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Die Moselreise - Roman eines Kindes

Titel: Die Moselreise - Roman eines Kindes
Autoren: Hanns-Josef Ortheil
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- lucius
    Nach dem Essen wanderten Papa und ich dann weiter an der Mosel entlang bis nach Hatzenport. Papa blieb während des Wanderns dann und wann stehen und sprach mit den Leuten, die in den Gärten an der Mosel arbeiteten oder hinauf in die steilen Weinberge stiegen. Papa macht das oft so: einfach stehen bleiben und die Leute ansprechen. Er grüßt sie, und dann fragt er sie irgendetwas, aber ich weiß genau, dass er sie nicht wirklich fragt, sondern nur so tut, als wisse er etwas nicht. Papa weiß das, wonach er fragt, meist ganz
genau, er fragt also nur, um mit den Leuten ein Gespräch zu beginnen. Während eines solchen Gesprächs fangen die Leute oft an, dies und das zu erzählen, manche reden sogar soviel, als wollten sie gar nicht mehr aufhören. Dann sagt Papa irgendwann »Na ja, Schusters Rappen will jetzt wieder bewegt werden«, und damit meint er, dass er weiterziehen und sich verabschieden will.
     
    Papa hat mich schon mehrmals aufgefordert, auch einmal ein Gespräch mit den Leuten anzufangen. Ich traue mich aber nicht, nein, ich kann so etwas nicht, ich würde so etwas niemals tun. Ich weiß nicht, was ich antworten soll, wenn ich etwas gefragt werde, ich gerate dann leicht durcheinander, nein, ich mache so etwas auf gar keinen Fall. Papa hat aber gesagt, dass er es gern sähe, wenn ich mich auch mit den Leuten unterhalten würde, ich habe mir das oft durch den Kopf gehen lassen, aber ich habe noch keine Lösung für das Problem gefunden. Immerhin habe ich heute, als ein Gespräch sehr lange dauerte und ich neben Papa auf das Ende des Gesprächs warten musste, gesagt »Papa, Schusters Rappen will jetzt wieder bewegt werden«, da haben die Leute alle gelacht, und auch Papa hat gelacht, und ich habe das ganze Lachen einfach so anhören müssen. Es war aber nicht böse gemeint, »Das war von den Leuten nicht böse gemeint«, hat auch Papa später gesagt, und ich habe geantwortet, dass mir das Lachen der Leute auch nicht böse vorgekommen sei. Papa hat gemeint, dass man durch die Gespräche mit den Leuten sehr viel über die Gegend erfahre, man müsse allerdings vorher ihr Vertrauen gewinnen
und dann sehr geschickt fragen. Ich habe wissen wollen, wie man das Vertrauen der Leute gewinnt und wie man geschickt fragt, und Papa hat versprochen, mir das während unserer Mosel-Wanderung genau zu erklären.
    Papa fragen
    Wenn Papa gerade an etwas anderes denkt, sagt er, er werde mir etwas später erklären.
    Und wenn Papa etwas müde ist, sagt er das auch.
    Ich werde aufschreiben, was Papa versprochen hat, später zu erklären.
    Diesmal hätte er mir alles ja auch gleich erklären können, doch wir kamen gerade in Hatzenport an, und in Hatzenport standen vor dem Winzerhaus viele Männer und unterhielten sich, und da ging Papa sofort zu ihnen, und im Handumdrehen unterhielt sich Papa mit den Männern. Als er aber sah, dass ich allein herum stand und nicht so recht wusste, was ich tun sollte, fragte er die Männer »Womit könnte der Junge sich denn mal beschäftigen?«, und die Männer antworteten, ich könne doch eine Fahrt mit der Fähre zum anderen Ufer unternehmen, hin und zurück, das dauere etwa eine halbe Stunde. Papa hielt das für einen sehr guten Vorschlag, und so ging er mit mir hinunter zur Fähre, gab mir etwas Geld und sagte, dass ich allein hinüber ans andere Ufer fahren und dann mit der Fähre wieder zurück kommen solle. Ehrlich gesagt, hatte ich Angst, allein mit der Fähre zu fahren, aber ich sagte nichts, und so hielt ich das Geld fest in der rechten Hand und wartete darauf, dass
die Fähre anlegte, und ich ging dann auch auf die Fähre, obwohl sie ziemlich stark hin und her schwankte. Papa winkte, und dann legte die Fähre ab, und ich fuhr allein hinüber zum anderen Ufer, Papa aber ging zurück zu den anderen Männern am Winzerhaus.
    Auf der Fähre fahren
    Auf einer Fähre steht man ganz still, während der Fluss unter einem durchläuft.
    Die Menschen, die auf einer Fähre fahren, schauen fast alle zum anderen Ufer.
    Der Fährmann trägt eine dunkle Kappe und ist vom vielen Fahren auf dem Fluss und den vielen Sonnenstrahlen ganz braun.
    Ich hatte ziemliche Angst und hielt mich an einem Geländer fest, die Fähre ruckelte und fuhr sehr langsam, und ich habe einen Moment die Augen geschlossen und fest gebetet »Lieber Gott, lass mich heil drüben am anderen Ufer ankommen!« Dann habe ich die Augen wieder geöffnet, und vor mir stand der Mann, der einem das Geld für die Fahrt abnimmt, und ich
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