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Die Moselreise - Roman eines Kindes

Titel: Die Moselreise - Roman eines Kindes
Autoren: Hanns-Josef Ortheil
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»lieblich« nenne, und zwar schreibe er gleich zu Beginn seines Buches: »amoena fluenta«, das heißt: »liebliche Fluten«.
    Ich habe Papa gebeten, mir später einmal aus dem Buch vorzulesen, und er hat es mir versprochen.
    Es war toll, in der Mosel zu baden, fast zwei Stunden haben wir in ihr gebadet, dann sind wir zurück zum Hotel gegangen, und ich habe Papa gefragt, ob jetzt Zeit sei zum Kegeln. Papa aber hat »nein, jetzt noch nicht« gesagt, und dann hat er wieder gesagt, dass ich nach dem langen Baden doch sicherlich Hunger hätte, aber ich hatte gar keinen Hunger, und das habe ich ihm dann auch gesagt. Da hat er gesagt, dass der Hunger schon noch kommen werde, und damit er auch richtig komme, wollten wir vor dem Abendessen noch auf die Höhe gehen, denn oberhalb von Kobern-Gondorf gebe es eine Ritterburg, die wir uns anschauen sollten.
     
    Ich fragte Papa, ob die Ritterburg oberhalb von Kobern-Gondorf etwas Ähnliches sei wie das Berghotel »Rittersturz« oberhalb von Koblenz, und da hat er »ja, in etwa« gesagt, und dann sind wir durch viele Weinberge hinauf auf die Höhe gestiegen und haben uns die Mosel und Kobern-Gondorf, das aus Kobern und daneben Gondorf besteht, von oben angeschaut. Vater hat wieder vor sich hin gepfiffen und mir die ganze Landschaft erklärt, und dann habe ich
gesagt, dass ich nun wahrhaftig großen Hunger hätte, und da hat Papa »siehst Du« gesagt, und wir sind herunter zu unserem Hotel gegangen und haben dort ein paar Schnittchen verputzt.
    Die Niederburg von Kobern-Gondorf
    Die Niederburg liegt etwa 150 Meter hoch.
    Sie hat einen Bergfried und sehr hohe Außenmauern.
    Sie ist eine Höhenburg, die von Adligen bewohnt wurde.
    Das ist etwa neunhundert Jahre her.
    Noch während des Verputzens der Schnittchen hat Papa den Besitzer des Hotels, der noch sehr jung war, gefragt, ob wir etwas kegeln könnten, und der junge Besitzer hat gelacht und gesagt »na klar«, und dann sind wir hinüber zur Kegelbahn gegangen und haben die Kegel abgeräumt.
     
    »Abräumen« hat Papa immer wieder gerufen,«abräumen« oder auch »abgeräumt«, und dann hat er mit einem einzigen Wurf die Kegel abgeräumt, und nach einer Weile habe ich sie auch abgeräumt und sogar einmal ein Schwein geworfen und einen Kranz, das war toll, richtig toll, und als Papa gefragt hat, wie es mir auf der Reise gefalle, habe ich gesagt, dass es sehr schön sei, und da hat Papa, weil er sich darüber gefreut hat und es uns so toll erging, noch einmal einen Moselwein bestellt, und wir haben dann zusammen (ich natürlich nur eine«Sinalco«) »gebechert«, wie Papa gesagt hat, und nach dem Bechern sind wir, wie Papa gesagt hat, »ab in die Betten« gegangen und haben dann auch sehr gut geschlafen…

    Kegeln
    Hohe und niedrige Hausnummer
    Fuchsjagd
    Alle Neune
     
    Postkarte 3
    Liebe Mama, heute Abend habe ich zum ersten Mal gekegelt. Kegeln macht großen Spaß, vor allem das »Abräumen«. Dann stürzen die Kegel alle übereinander her und kollern in ein Loch, und man sieht sie nicht mehr. Ich wünsche Dir eine gute Nacht. Dein Bub

25. Juli 1963

    Ich habe nicht gut geschlafen, und das kam daher, dass ich mit Papa in einem Zimmer geschlafen und ihn atmen gehört habe. Kurz bevor ich richtig einschlafen wollte, hat das angefangen, ich habe Papa atmen gehört, und ich habe so sehr darauf geachtet, wie er atmete, dass ich selbst nicht einschlafen konnte. Ich habe mich auch gefragt, wie ich denn selbst atme, und ich habe versucht, mir dabei zuzuhören, wie ich atme, aber ich habe mich nicht atmen hören, und es war so, als atmete ich überhaupt nicht. Papa aber hat sehr viel und ganz verschieden geatmet, mal leiser und langsamer, mal lauter, dann aber auch eine Zeitlang überhaupt nicht. Ich habe ihm dabei immer weiter zugehört und das hat mich so durcheinander gebracht, dass ich vergessen habe, einzuschlafen.
Erst tief in der Nacht bin ich eingeschlafen, aber nicht richtig, denn ich bin während der Nacht immer wieder wach geworden und habe Papa beim Atmen zugehört. Am Morgen habe ich Papa davon erzählt, und Papa hat gelacht und gefragt, wie er denn atme, und ich habe Papas Atmen nachgemacht, alle Sorten.
    Papa nachmachen
    Manchmal mache ich Papa nach.
    Ich mache nach, wie er etwas isst oder trinkt.
    Ich mache nach, wie er lacht.
    Ich mache nach, wie er die Brille aufsetzt und Zeitung liest.
    Ich mache Papa nach, weil er manchmal so komisch ist, und weil er es mag, wenn ich ihn nachmache.
    Mama mache ich niemals nach.
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