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Die Mglichkeit einer Insel

Die Mglichkeit einer Insel

Titel: Die Mglichkeit einer Insel
Autoren: Michel Houellebecq
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bildete, wenn man die Parallele aufgreifen will —, ins Abseits gedrängt; die Mädchen waren in jenen Tagen noch verschleiert, aber es waren hübsche, spitzenbesetzte, teilweise durchsichtige Schleier, die im Grunde eher erotischen Accessoires glichen. Und anschließend verlor die Sache natürlich allmählich an Bedeutung: Die mit viel Aufwand errichteten Moscheen standen wieder leer, und die jungen französischen Nordafrikanerinnen boten sich wieder auf dem Sexualmarkt feil wie all die anderen auch. Die Sache war von vornherein zum Scheitern verurteilt, in einer Gesellschaft wie der unseren konnte es kaum anders sein; trotzdem war mir dadurch eine Zeitlang die Rolle eines Kämpfers für die Meinungsfreiheit zugefallen. Ich persönlich hatte eher eine Abneigung gegen Freiheit; es ist schon verrückt, daß gerade die Gegner der Freiheit sie irgendwann besonders dringend brauchen.
    Isabelle war bei mir und gab mir kluge Ratschläge. »Du mußt einfach dafür sorgen«, sagte sie sofort, »daß du den Mob auf deiner Seite hast. Wenn dir das gelingt, bist du unangreifbar.«
    »Der steht auf meiner Seite«, wandte ich ein, »diese Typen kommen zu meinen Auftritten.«
    »Das reicht nicht; du mußt noch eins draufsetzen. Das einzige, wovor sie wirklich Respekt haben, ist Kohle. Die hast du zwar reichlich, aber du zeigst es nicht deutlich genug. Du mußt viel verschwenderischer damit umgehen.«
    Auf ihren Rat hin kaufte ich mir also einen Bentley Continental GT, ein »herrliches, superelegantes« Coupe, das dem Auto-Journal zufolge ein Zeichen dafür war, daß »Bentley seine ursprüngliche Berufung wiederentdeckt hatte und sportliche Autos von höchstem Niveau anbot«. Einen Monat später zierte ich das Cover von Radikal Hip-Hop — oder, besser gesagt, vor allem mein Auto. Die meisten Rapper kauften sich einen Ferrari, ein paar originelle Typen einen Porsche; aber einen Bentley, da blieb ihnen die Spucke weg. Sie haben eben keinen Deut Kultur, diese Ärsche, selbst was Autos angeht. Keith Richards zum Beispiel hatte wie alle seriösen Musiker einen Bentley. Ich hätte auch einen Aston Martin nehmen können, aber der war teurer, und letztlich war ein Bentley besser, denn die Motorhaube war länger, man hätte ohne Schwierigkeit drei Tussis darin unterbringen können. Für hundertsechzigtausend Euro war das im Grunde fast ein Schnäppchen; was meine Glaubwürdigkeit beim Mob anging, glaube ich jedenfalls, daß sich die Investition gelohnt hat.
    Dieser Auftritt war zugleich Auslöser meiner kurzen, aber lukrativen Karriere als Filmemacher. Ich hatte einen Kurzfilm in meine Show eingebaut; dieser erste Film mit dem Titel Laßt uns Miniröcke mit dem Fallschirm über Palästina abwerfen! besaß bereits jenen burlesken, leicht antiislamischen Ton, der später zu meinem Ruf beitragen sollte; aber auf Isabelles Rat hin verlieh ich dem Film zusätzlich einen leicht antisemitischen Zug, der den ziemlich antiarabischen Charakter meiner Show ausgleichen sollte; das war der Pfad der Weisheit. Ich entschied mich daher für einen Pornofilm oder besser gesagt, für die Parodie eines Pornos — eine Gattung, die sich, wie ich gern zugebe, leicht parodieren läßt — mit dem Titel Gras mir den Gazastreifen ab (mein dicker jüdischer Siedler). Die Schauspielerinnen waren echte französische Nordafrikanerinnen, garantiert aus dem Departement Seine-Saint-Denis — vom Typ her geile Schlampen, aber verschleiert; wir hatten die Außenaufnahmen in dem Vergnügungspark La Mer de Sable in Ermenonville gedreht. Der Film war ziemlich witzig, wenn auch vielleicht etwas zu anspruchsvoll. Die Leute lachten; die meisten zumindest. In einer Talkshow, zu der ich gemeinsam mit Jamel Debbouze eingeladen war, bezeichnete dieser mich als »supercoolen Typen«; kurz gesagt, die Sache hätte besser gar nicht laufen können. Jamel hatte mich schon in der Garderobe kurz vor der Sendung ins Bild gesetzt: »Ich kann dir nicht an den Karren pissen, Alter. Wir haben dasselbe Publikum.« Fogiel, der die Begegnung von uns beiden organisiert hatte, merkte sehr schnell, daß wir uns ausgezeichnet verstanden, und bekam Muffensausen; ich muß allerdings dazusagen, daß ich schon seit langem Lust hatte, diesem Arsch eins reinzuwürgen. Aber ich habe mich zurückgehalten, war sehr korrekt, eben supercool.
    Der Produzent meiner Show hatte mich gebeten, eine Szene aus meinem Kurzfilm herauszuschneiden — eine Szene, die tatsächlich nicht sehr witzig war; wir hatten sie in
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