Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mestizin

Die Mestizin

Titel: Die Mestizin
Autoren: César Aira
Vom Netzwerk:
schwer, mit den Tieren zurechtzukommen. Gehen wir nach draußen. Unsere kleine Werkstatt hat Ihnen keinen Spaß gemacht.»
    «Irgendwie hatte dieses Fasanenweibchen etwas Unheimliches…»
    Sie nahm ihn beim Arm und führte ihn nach draußen. Der Oberst war in kalten Schweiß gebadet. Sie schlenderten zwischen Gehegen und Waschplätzen hindurch zu den großen, in den Hügel gegrabenen Fasanenzwingern in der Nähe des Waldes. Die frische Luft tat ihm gut, so dass sie ihr Gespräch wieder aufnahmen.
    «Wie viele Fasanenküken werden es am Ende sein?»
    «Am letzten Tag der Legezeit werden wir fünftausend befruchtete Eier haben.»
    «Und Sie wollen tatsächlich zweitausend Fasane aussetzen? Ich sehe nicht, welchen Sinn das haben soll. Wäre es nicht praktischer, die Produktion hier und damit alles unter Kontrolle zu behalten?»
    «Ich dachte, es hätte Ihnen nicht gefallen.»
    «Ich sehe ein, dass es effizient ist.»
    «Mein Ziel sind vierzigtausend Fasane in freier Wildbahn. Die zweitausend in diesem Frühjahr sind nur der Anfang.»
    «Warum vierzigtausend?»
    «Weil es die kritische Zahl ist. Eine Gesellschaft dieser Größenordnung bildet das, was die Fasanenzüchter eine ‹stupide Ökologie› nennen. Dann wären diese Verrichtungen, die Ihnen so ruchlos erschienen, nicht mehr nötig. Was Sie gesehen haben, ist lediglich die Prähistorie der Tierfarm.»
    «Und wie lange werden sie dafür brauchen?»
    «Vier Jahre. Vielleicht fünf.»
    «Sind das wirklich nicht zu viele Tiere?»
    «Weniger dürfen es nicht sein. Es ist genau die richtige Menge, um eine natürliche Fasanenwelt zu schaffen. Und das hätte einen doppelten Effekt: Für uns würden sie billiger und folglich für die Käufer teurer, praktisch unbezahlbar, wie Elemente der fernsten Natur… wie zum Beispiel Mondgestein.»
    Sie hielt einen Moment inne, damit der Oberst diese Prämisse verdauen konnte. Dann fuhr sie fort:
    «Mein Besitz wird dann ein Ökosystem sein, wie die indianischen Tierfarmen: Quellen unerschöpflichen Reichtums, aber so nah dran an diesem Reichtum, dass sie unsichtbar werden und die Besitzer sich vorgaukeln können, sie wären bettelarm, die ärmsten Wesen des Universums. Sie werden schon sehen.»
    Sie waren bei den Bauten angelangt, wo in strenger Isolation die Männchen lebten. Bei jeder dieser Bauten war die architektonische Phantasie mit den jungen Maurern durchgegangen. Die meisten bestanden aus einem Minarett in Form einer Zigarre, das sich leicht gen Westen neigte, und einem halb eingegrabenen, unregelmäßigen Fasanenkäfiggehäuse. Eingezäunt wurden sie von lockerer schwarzer Spitze aus Draht. Vor den dunklen Türen lagen halb aufgefressene Reste von Vögeln oder Ratten.
    «Wir futtern sie mit lebenden Beutetieren», sagte Erna.
    «Und wo sind sie?»
    «Sie sind sehr scheu. Sie mögen es nicht, wenn jemand sie ansieht, vor allem dann nicht, wenn sie vermuten, dass sie nur als Unterhaltungsobjekte dienen. Ich denke aber, dass Sie einen zu Gesicht bekommen werden. Dort drüben frisst gerade ein Ägypter.»
    Ein königliches Männchen frei im Raum umherlaufen zu sehen, ist wegen des Missverhältnisses zwischen dem Schwanz von der Länge eines Säbels und dem unvorstellbar kleinen Kopf ein unvergessliches Erlebnis. Wie immer seine Stellung in der Rassen- und Familienhierarchie sein mag, der Fasan hat immer etwas von einer Materialisation.
    Espina betrachtete ihn schweigend. In schwärmerische Gedanken verloren, stand er da und konnte dem, was seine Freundin sagte, nicht folgen. Als sie an einem verlassenen Zikkurat vorbeikamen, schoss ein bedrohlicher Kolcher aus der Öffnung. Er lief zum Drahtgewebe und hackte darauf ein. Es war ein glänzendes Tier mit dunkelroten Flugfedern und einem prächtigen schwarzen Kahlkopf. Zwei dunkle Glimmerplättchen schützten seine Augen.
    «Wir mussten ihm Scheuklappen verpassen», erklärte Erna. «Die ständige Samenproduktion hat seine Netzhaut geschwächt, das Licht tut ihm weh.»
    «Das fehlte mir gerade noch», lachte Espina.
    «Noch haben Sie unser Starexemplar nicht gesehen…»
    «Stimmt ja, der berühmte Satélite! Wo ist er?»
    Sie führte ihn einen Pfad aus blauen Schieferplatten entlang zu einem Käfig, der abseits der anderen auf dem Gipfel des Hügels stand. Der Turm, der höher als die anderen war, neigte sich gefährlich, der Unterschlupf war tief in die Erde eingelassen; die mit Stoffbändern umzäunte Fläche war übersät mit Tierresten, mit staubigem Aas. Im ersten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher