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Die Mestizin

Die Mestizin

Titel: Die Mestizin
Autoren: César Aira
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schmierten sich sogar mit einer doppelten Schicht Fett ein und badeten.
    Eines Tages machten Erna und vier oder fünf Freunde einen Ausritt, die kleinen Pferde schnaubten vor Vergnügen, während sie über den mit Schnee vermischten Sand trabten. Nach dem Schneefall am Morgen war Nebel aufgezogen – der nichts verbarg, weil da außer Weiß sowieso nichts war. Die Tiere hielten mit sehnsuchtsvoller Neugier Ausschau, als hätten sie sich vorgenommen, im Unsichtbaren neue Wesen zu entdecken. Doch plötzlich erspähten Mensch und Pferd in der Ferne Schatten, die sich bewegten, weiße Schatten vor weißem Hintergrund, Reiter. Diese hatten sie offenbar ebenfalls erblickt, denn sie wichen zurück.
    Sie setzten ihren Weg fort, während die anderen, weil sie es offensichtlich für unhöflich hielten, sich zu verstecken, blieben, wo sie waren. Es waren ein paar Männer auf Pferden, die so nass waren, als kämen sie direkt aus dem Meer. Sie mussten sie gerade gewaschen haben. Von Kopf bis Fuß eingefettet, glänzten die Reiter auf dem matten Fell der Tiere. Erst als sie ganz nah waren, sahen sie, dass es fünf Jünglinge und ein alter Mann waren, in dem Erna einen der unbedeutenderen Kaziken aus dem Süden erkannte, einen Freund von Oberst Espina. Wer weiß, was er hier zu suchen hatte. Er hatte sie ebenfalls erkannt. Daher ritt er herbei, um sie zu begrüßen, mit dem üblichen Getue und ohne ihr in die Augen zu schauen.
    «Sind Sie überrascht, mich hier zu sehen?»
    «Wieso?»
    «Unser Zeltlager liegt eine Meile entfernt. Ich bin hier, um ein paar Fohlen zuzureiten.»
    Sie waren alle reinrassig. Der Kazike deutete auf ein weißes Tier, auf dem ein schielendes Kind mit Ponyfrisur saß.
    «Das Pferd hat vom Meerwasser getrunken, also wird es wahnsinnig werden.»
    Er brach in Gelächter aus. Die jungen Männer warfen einen spöttischen Blick auf die kleinen dicken Pferde.
    Er lud sie ein, gleich mitzukommen, um etwas zu trinken. Wo sie denn ihr Lager aufgeschlagen hätten? Er sagte kein Wort, als sie erwiderte, dass sie in den Höhlen von Nueva Roma wohnten. Um nichts in der Welt wäre er dort hingegangen.
    Das Lager, das sie nach einer halben Stunde wie von selbst erreichten, bestand aus einigen schneebedeckten Papierzelten und etwa fünfzig Männern und Frauen, alle Angehörige des Kaziken. Sie befanden sich sehr nah der Küste; mehr als einmal, sagten sie, habe sie nachts die Flut geweckt. Das Meerwasser, fügten sie hinzu, sei so früh am Morgen warm und milchig. Die ganze Zeit über waren sie mit einem zähen, durchsichtigen Fett eingeschmiert, das sie in einem Fass lagerten. Sie schenkten jedem einen Topf davon. Es sei Walfett, sagten sie.
    Sie tranken ununterbrochen. Sie spielten mit Würfeln aus Federn, sie sahen sich Abbildungen an. Ein dicht gedrängtes Treffen, voller Geheimnisse und Sadismus. Der Kazike hatte eine heisere Stimme. Es wurde hemmungslos geplaudert. Man fragte sie nach ihren Kindern, nach der Zuchtfarm. Erna lud ihn zu einer Besichtigung ein.
    «Vielleicht komme ich eines Tages», sagte der Kazike, «falls ich dann überhaupt noch lebe. Vielleicht steigt in einer der kommenden Nächte die Flut, und ich wache nie wieder auf.»
    Er war betrunken. Als sie sich verabschiedeten, war es bereits dunkel. Kaum hatten sie die Höhle betreten, brach ein Sturm los, der mehrere Tage anhielt. Sie jagten Gürteltiere und Ameisenigel, die in den Höhlen hausten. Sie schliefen, so viel sie konnten. Sie bemalten sich mit aller Sorgfalt. Sie setzten sich in den zur Bucht offenen Raum und rauchten, betrachteten die Wellen, die der Sturm auftürmte, sie dachten nach oder schliefen.
     
    21. Oktober 1978
     
     
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