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Die Mestizin

Die Mestizin

Titel: Die Mestizin
Autoren: César Aira
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ein wunderbar scharlachrotes Ei.
    «Warum tun sie sich mit dem Laufen so schwer?»
    «Wir spülen ihnen jeden Tag die Eierstöcke. Wahrscheinlich sind sie deswegen etwas gereizt.»
    Ein genauerer Blick offenbarte, dass sie sich kaum bewegen konnten. Vor lauter Schmerz krümmten sie die Beine und hielten den Hals starr. Die Stille, die ihnen so aufgefallen war, hatte ihren Grund in dieser tödlichen Schwäche und war alles andere als ein Zeichen von Eleganz.
    «Es wird ihnen doch wohl nicht schaden?»
    «Glaube ich nicht. Die Legezeit dauert einen Monat, das werden sie schon überleben. Danach haben sie fast ein Jahr, um sich zu erholen. Wir halten sie nachts wach, damit sie ganz sicher zwei Eier legen. Das macht sechshundert befruchtete Eier allein dieser Rasse.»
    Der Oberst zog die Augenbrauen hoch und sagte nichts.
    Sie sahen sich weitere Gehege an, wo sich ein ähnliches Bild bot. Erna fuhr mit ihren Erklärungen fort. Von jeder Farbe hatten sie ein Dutzend Weibchen, die mit zittrigen Schritten umhergingen (immer gingen sie umher), fast alle derart entkräftet, dass sie keine Schmerzen mehr spürten.
    «Die sehen gar nicht aus wie Fasane», sagte der Oberst.
    Erna lachte:
    «Der geschlechtliche Dimorphismus ist sehr ausgeprägt. Die Männchen werden Sie sofort erkennen. Die Weibchen hingegen haben weder Haube noch Schwanz.»
    «Die sehen ja aus wie Hühner.»
    Sie blieben vor dem Gehege der Lady-Armherst-Fasane stehen, die klein und zerbrechlich wie Porzellan waren und durch das tägliche Legen so viel Kalzium verloren hatten, dass ihre Schnäbel durchsichtig geworden waren.
    «Wir mussten ihnen Aufputschmittel geben, damit sie sich bewegen.»
    «Ich habe mich schon gewundert, warum sie überhaupt noch laufen.»
    Ihre Federn waren so klein wie die von Rebhühnern. Weiße Federn, vereinzelt auch eine rote oder blaue oder gelbe, wodurch sie irgendwie unordentlich aussahen. Bei weniger leidenden Tieren hätte es durchaus komisch gewirkt.
    «Jedenfalls gefallen sie mir», sagte der Oberst.
    «Ihr Fleisch ist äußerst begehrt.»
    Sie gingen weiter. Mit einem Ausruf der Bewunderung machte Espina vor einem kunstvoll angeordneten Halbkreis aus Käfigen Halt, in dem jeweils ein Nest war. Darin lagen die fetten Goldfasanenweibchen, die nicht einmal mehr genug Kraft hatten, um die Augenlider zu heben.
    «Wir mussten sie isolieren. Sie sind Kannibalen.»
    «Wirken eher moribund.»
    «Sie verausgaben sich. Aber sie werden es überleben.»
    «Falls nicht, wäre das sehr bedauerlich. Jedes für sich ist ein Kunstwerk, ein Juwel.»
    Das gleichmäßig goldene Federkleid glänzte schwach im abendlichen Sonnenlicht.
    «Warten Sie ab, bis Sie die Männchen sehen.»
    «Wo ist der berühmte Satélite?»
    «Den werden sie schon noch zu Gesicht bekommen.»
    Der Oberst fragte:
    «Gehen Sie bei allen Befruchtungen künstlich vor?»
    «Dieses Wort würde ich nicht benutzen. Da es sich um Vögel und in vitro gezüchtete Rassen handelt, ist alles künstlich. Aber ja, wir befruchten manuell. Das ist der einzig sichere Weg, wenn man bedenkt, wie wankelmütig die Fasane und wie asymmetrisch ihre Kloaken sind. Es wäre absurd, ausgerechnet bei Lebewesen auf die Natur zu vertrauen, die sich so weit von ihr entfernt haben.»
    «Nicht einen Moment lang habe ich beim Anblick dieser Fasane an die Natur gedacht.»
    «Wollen Sie sehen, wie wir es machen?»
    «Selbstverständlich.»
    Sie führte ihn zu einem Unterstand mit einem Dach aus Palmenblättern, das auf Pfählen ruhte, die nichts anderes als lebende Bananenstauden waren. Darin standen lange Tische mit Käfigen und Instrumenten, um die herum mehrere Indianer auf hohen Bänken saßen und arbeiteten. Sie traten an den heran, der ihnen am nächsten war.
    «Der Oberst», sagte Erna, «würde gern einmal das Verfahren sehen.»
    «Den Wunsch will ich ihm gern erfüllen», sagte der Indianer. «Ich wollte diesem Vögelchen sowieso ein paar Tropfen abzapfen.»
    Er deutete auf den Käfig, der neben ihm stand. Drinnen saß eingezwängt ein prächtiges mongolisches Männchen, das pfeifend atmete. Der Oberst musterte es. Unter dem dunklen Flaum traten die Brustmuskeln hervor. Eine steife Haube verdeckte die Augen.
    «Als Erstes», sagte der Indianer, «wird er mit einer kleinen Pille betäubt. Die habe ich ihm vor einer Weile gegeben, und jetzt warte ich darauf, dass die Wirkung eintritt. Dann wollen wir mal sehen.»
    Er steckte einen Bleistift durch die Gitterstäbe und piekste den Fasan in den Hals. Der
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