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Das Wolkenpferd

Titel: Das Wolkenpferd
Autoren: Margot Berger
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Geheimnis um Bella
    Nicky traute ihren Ohren nicht.
    Es war wirklich nicht ihre Art, an der Sattelkammer zu lauschen. Aber in diesem Fall... „Klar, ich freue mich riesig darauf", war Marinas Stimme von innen zu vernehmen. Offensichtlich telefonierte sie gerade. „Schöne weiße Punkte auf dem Rücken", schwärmte Marina weiter. „Das war immer mein Traumpferd. Ja ... im Spätsommer wird es wohl klappen."
    Nicky hatte das Gefühl, dass ihr jemand den Boden unter den Füßen wegzog.
    Marina wollte ein neues Pferd? Vor Nickys Augen drehte sich alles. Was wurde dann aus Bella? Aus Bella, ihrem geliebten Pflegepferd? Sollte sie etwa verkauft werden?
    Nicky wollte nichts mehr hören. Nur weg von hier.
    Verstört lief sie über die schmale Stallgasse nach draußen. Eine Schubkarre stand im Weg und knallte gegen ihr Knie, Nicky merkte es nicht einmal. Sie stürmte aus der Dielentür des Bauernhofs, auf dem die Fuchsstute Bella seit zwei Jahren stand.
    Ohne anzuhalten rannte Nicky den Sandweg zum Wald hinauf. Erst als sie sicher war, dass sie vom Hof aus keiner mehr sehen konnte, ließ Nicky sich atemlos auf einen Baumstumpf fallen. Sie wollte allein sein. In ihrem Kopf tobte ein Chaos.
    Nicky rieb sich die Stirn, als ob sie ihre Gedanken dadurch ordnen könnte.
    Was bedeutete das alles? Gestern noch hatte Marina ihr vorgeschwärmt, wie toll sie Bella fände. Und heute? Was sollte das Gerede von diesem gefleckten Traumpferd?
    Nicky stützte den heißen Kopf in die Hände und starrte auf das Brombeergestrüpp vor sich, ohne es wirklich zu sehen. Dieses Telefongespräch vorhin ... sie konnte sich einfach keinen Reim darauf machen.
    Marina war bisher doch immer fair zu ihr gewesen. Nicky erinnerte sich, wie vor zwei Jahren alles angefangen hatte ... Damals hatte Marina die schöne Hannoveranerstute in der Reitschule gekauft, in der Nicky ritt.
    Bella war schon immer Nickys Lieblingspferd gewesen. Als der Verkauf bekannt wurde, konnte sie nächtelang nicht schlafen. Sie hatte Angst, Marina würde ihr verbieten, Bella in ihrem neuen Stall zu besuchen. Das taten viele Käufer von Schulpferden. Sie waren eifersüchtig, wenn ihre Pferde mit den Pflegemädchen schmusten. Marina war da ganz anders. Sie dachte, dass ihrer Stute der Umzug in den neuen Stall leichter fiele, wenn Nicky in der Nähe war. Sie durfte Bella jeden Tag besuchen.
    Nicky freute sich riesig darüber.
    Auf den saftigen Weiden wurde Bella rund und kräftig. Rund war in letzter Zeit fast unter-trieben - die schlanke Stute bekam allmählich einen richtigen Bauch. Nicky machte sich schon Sorgen.
    „Ist das normal?", hatte sie Marina mehrmals gefragt. „Bella kriegt doch nicht etwa eine Kolik?"
    Doch Marina hatte immer nur lachend abgewinkt. „Es ist alles in Ordnung, Nicky. Das ist der typische Grasbauch von Weidepferden. Den kriegen alle, wenn sie jeden Tag draußen stehen."
    Daran musste Nicky jetzt wieder denken. Vielleicht war es doch kein Grasbauch, sondern etwas Schlimmes? Etwas Lebensgefährliches? War Bella krank und nicht zu retten -und man wollte es vor ihr geheim halten? Aus Rücksicht möglicherweise? Marina wusste, dass Nicky jetzt für sechs Wochen zu einem Schüleraustausch nach Frankreich reiste. Wollte sie ihr die Fahrt nicht verderben? Genau. So musste es sein. Nicky schluckte schwer. Jetzt war sie ganz sicher. Sie wusste zwar selber, dass sie in ihrer Fantasie manchmal die unglaublichsten Geschichten zu-sammensponn ... aber diesmal gab es keinen Zweifel.
    Marina hatte sich ein neues Pferd ausgesucht, weil Bella nicht zu retten war. Natürlich. Es kam schon mal vor, dass ein Pferd ganz plötzlich einging. Das war erst kürzlich bei einer Reiterfreundin passiert. Innerhalb von drei Tagen war eine robuste Stute an einer Sandkolik gestorben.
    Nicky stand auf und ging mit bleiernen Beinen zurück zum Stall. Sie hatte keinen Blick für die üppigen Farne rechts und links. Den köstlichen Duft des Heus nahm sie ebenso wenig wahr wie das leise Vogelzwitschern in den Bäumen. Das Leben war irgendwie zu Ende.
    Nicky ging mit einem Kloß im Hals die Stallgasse hinunter. Sie musste Abschied nehmen von Bella. Wenn sie aus Frankreich zurückkam, würde ihr Liebling vielleicht schon nicht mehr da sein ...
    Die sechs Wochen waren vorüber.
    Es hätte so schön sein können in Lyon! Nickys
    Gasteltern waren einfach Klasse gewesen, und mit der gleichaltrigen Mireille hatte sie sich sofort gut verstanden. Aber Nickys Gedanken waren immer bei Bella gewesen. Wie
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