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Die Mestizin

Die Mestizin

Titel: Die Mestizin
Autoren: César Aira
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hören.
    Die große Kuppel zog den Rauch der Zigaretten ab. Beim Aufsteigen bildete er seltsame flüchtige Figuren. Die Kinder tobten in den Stollen herum und spielten Verstecken. Sie hörten den Atem der Freunde mit ruhiger Zwangsläufigkeit gehen. Alles deutete darauf hin, dass die Erholung vollkommen sein würde.
    Sie grillten die Rebhühner, die sie im Morgengrauen gefangen hatten, danach legten sich fast alle schlafen. Einige Stunden später zogen die einen los, um die Stollen zu erkunden, die anderen widmeten sich dem Würfelspiel. Wieder andere schliefen einfach weiter.
    Erna erwachte am frühen Nachmittag. Einen Augenblick lang wusste sie nicht, wo sie war. Sie starrte zu den Gewölben, auf denen ein zarter weißer Lichtschmelz lag, bis die Bilder wiederkamen: die Reise auf den kleinen, dicken Pferden, die von den Wolken hängenden Höhlen.
    Um sie herum saßen Leute und machten etwas zu essen. Man sagte ihr, draußen habe sich ein Schneesturm entfesselt. Sie trank gerade eine Tasse Tee, als die Kundschafter aufgeregt zurückkehrten. Am anderen Ende des Berges hatten sie einen Ausgang entdeckt, von dem aus das Meer zu sehen war. Sie drängten darauf, dass alle es sich ansahen. Die Kinder wuselten wie Mäuse in die Richtung, in die sie deuteten. Der Rest folgte ihnen.
    Eine ganze Weile gingen sie durch endlose Gänge. Da sie keine Laternen mitgenommen hatten, mussten sie manchmal den Schritten lauschen, um sich im Dunkeln zurechtzufinden. Der Boden blieb eben. Schließlich tauchte nach einer Biegung ein dürres Licht auf, das von Raum zu Raum heller wurde. In einem großen, rechteckigen Zimmer blieben sie stehen: Gegenüber lag keine Wand, sondern ein Quadrat, das so grell war, dass sie kaum sehen konnten. Sie gingen darauf zu. Vor Bewunderung erstarrten sie.
    Der Berg endete dort, öffnete sich über dem Nichts, in einer noch größeren Höhe als die der nördlichen Eingänge. Eine Brüstung gab es nicht. Zwei Meter vom Rand entfernt setzten sie sich auf den Boden. Von dort aus sahen sie eine Landschaft, von der sie nie zu träumen gewagt hätten.
    Nichts behinderte die Sicht. Ein endloser, menschenleerer Strand, schneeweiß, und in der Ferne das Meer, die berühmte Bucht, die mehr denn je den Namen Bahía Blanca verdiente. Alles war weiß, der Himmel und die Erde. Der Schnee fiel auf die Wellen, von denen sie lediglich das Wogen sahen. Nicht ein Vogel querte den Raum. Die Wolken bildeten einen blank polierten Film.
    Sie seufzten, wussten nicht, was sagen. Das Weiß hatte ihre Pupillen auf ein Minimum reduziert. Sie zündeten sich Zigaretten an und blieben bis zum Einbruch der Nacht dort sitzen, in einem Zustand zwischen Wachen und Schlafen. Als es zu kalt wurde, kehrten sie in den Schutz der inneren Säle zurück. Da sie das ganze Labyrinth für sich allein hatten, zerstreuten sie sich.
    «Morgen können wir ans Meer», sagte Erna.
    Alle wollten über die Strände reiten, die sie von oben erspäht hatten.
    Sie würfelten, tranken und rauchten, vergaßen darüber die Stunden, bis der Schlaf sie übermannte.
    Irgendwann in der Nacht (vielleicht auch am frühen Morgen, schwer zu sagen) wachte Erna auf. Sie spürte, wie sich das Kind in ihrem Innern drehte. Die Feuer verlöschten allmählich, um sie herum schliefen alle. Sie stand auf und betrat willkürlich einen der Stollen. Während sie dort entlangging, wurde es manchmal stockdunkel, dann wieder etwas heller, weil ein Feuer oder das, was davon übrig war, noch etwas glühte. In der Nähe schlief jemand in einem geheimen Gemach. Sie hörte gedämpfte Seufzer, lautloses Lachen. Schließlich trat sie in einen Bogen aus rötlichem Licht und betrachtete ein Paar, das umschlungen auf einer Matte lag. Daneben stand eine Papierlampe von der Größe eines Fingerhuts. Die beiden sahen sie nicht, setzten ihre Spiele fort, die der Schlaf wahrscheinlich schon tausendmal unterbrochen hatte.
    Sie machte langsam kehrt und schlug die Richtung ein, die zu den nördlichen Eingängen führte. Es war Tag, die Sonne war hinter weißen Wolken hervorgekommen. Unten bewegten sich die kleinen Pferde im Gehege. Sie hoben den Kopf: Wahrscheinlich fühlten sie sich einsam.
    Am Nachmittag, als sie hinunterkletterten, wurden sie von fröhlichem Wiehern begrüßt. Sie stiegen auf und ritten um den Berg herum zum Strand. Erna, die zum ersten Mal am Meer war, atmete lustvoll die Luft ein. Sie trabten am Strand entlang, bis es dunkel wurde. So hielten sie es von da an jeden Tag, ja, sie
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