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Die Mestizin

Die Mestizin

Titel: Die Mestizin
Autoren: César Aira
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Die wilden Tiere haben eine andere Funktion.»
    Sie hielt inne, weil sie bemerkt hatte, dass der Oberst ihr nicht zuhörte. Eine Schüssel Erdbeeren wurde hereingebracht, und sie entkorkten eine weitere Flasche Champagner.
    «Auf die Fasane!», rief Espina.
    Sein Bauch war so gebläht, dass er den Gürtel hatte lösen müssen, und weil es so still und er so voll war, fielen ihm die Augen zu. Erna steckte ihm eine Zigarette zwischen die Lippen, an der er erfreut zog: Der Rauch war, als er die Lungen erreichte, schön kühl und verschaffte ihm einen überwältigenden Genuss. Es war Ernas perfekter Beherrschung der Umgangsformen zu verdanken, dass diese Atmosphäre entstanden war. Von draußen drangen vereinzelte Fasanenschreie herein, gelegentlich auch ein Lachen oder Rufen der Mädchen, wie von fern, eingehüllt in Wogen tiefer Stille. Und dann, als er fast schon eingeschlafen war, glaubte er Töne einer indianischen Harfe zu hören, ohne jedoch die Melodie zu erkennen. In seinen Augen verdichteten sich Schatten zu Gestalten. Eine lächelnde Katze, ein geometrischer Kopf, eine zusammengerollte Schlange, ein Affe, der seine Zähne bleckte, die weiße Würfel waren…
    Als er wieder aufwachte, lag Erna auf der Matte und schlief. Die Reste des Mittagessens glänzten wie verklärt, und ein Weinglas oder ein silberner Salzstreuer oder ein Tropfen auf einer Frucht bündelten hie und da etwas Licht. In einem Blumentopf stand eine Pflanze mit palmförmigen Blättern, die oben schwarz und unten aus weißem Flaum waren und sich anmutig zur Papierwand bogen. Seine Bewegungen weckten Erna auf, die entschuldigend lächelte.
    «Ich bin wohl eingenickt.» Sie erhob sich und sah nach der Kleinen. «Wenn Sie wollen, machen wir jetzt gleich den Rundgang, den ich Ihnen versprochen habe.»
    «Nichts wäre mir lieber», sagte er Oberst und schenkte sich ein Glas ein.
    Noch war er schlaftrunken. Er räkelte sich, stand auf und strich sich die Kleidung glatt. Dann folgte er Erna nach draußen. Es war noch genauso grau wie am Vormittag, aber heller. Offenbar hatte es geregnet, während sie zu Mittag gegessen hatten, denn einige Stellen im Gras waren noch feucht.
    Vor seinen Augen erstreckte sich die weite Au, die zum Bach hin abfiel, an dessen Ufer zahlreiche Indianer saßen oder lagen. Ein leichter Wind trug ein Wort oder ein Lachen an sein Ohr.
    Erna kam mit zwei Tassen dampfenden Kaffees zurück, den sie im Stehen tranken. Ihr nach folgten Francisco und das ältere Mädchen, das gerade laufen lernte. In ihren Armen hielt sie eine nackte Puppe mit weißen Schuhen.
    «Kommt mit», sagte Erna.
    Sie gingen um das Haus herum. Dahinter lag ein zehn Hektar großes Grundstück, das vollkommen mit Gehegen zugebaut war. Es war überraschend, wie viel Arbeit sie in so kurzer Zeit geleistet hatte, obwohl bei näherer Betrachtung die instabile Konstruktion offenbar wurde. All das sei nur provisorisch, sagte Erna. Jeden Tag ordneten sie die Zäune anders an, je nach Bedarf. Aus der Vogelperspektive sah es aus wie ein großes Labyrinth.
    Reihen von Käfigen, die anderthalb Meter über dem Boden angebracht waren, Ballons aus Drahtgewebe mit Papierhäuschen, offene Gehege mit Gräben und Tränken und Unterstände aus Palmen, wo alles Mögliche mit den Vögeln veranstaltet wurde.
    «Was für eine herrlich anzuschauende Arbeit», rief der Oberst. Er machte eine Miene, als wollte er noch etwas sagen, beschränkte sich aber auf: «Doch vielleicht enthüllt uns eine nähere Betrachtung noch herrlichere Details.»
    Zuerst traten sie an die Dornenhecken eines Geheges, in dem mehrere Tiere frei herumliefen.
    «Was sind das für Fasane?»
    «Weibchen, Düsterlinge.»
    «Düsterlinge? Warum heißen sie so?»
    «Das ist der Name der Rasse. Wussten Sie das nicht?»
    Der Oberst war jetzt neugierig geworden. Aufmerksam betrachtete er die Fasane, die sich absolut lautlos bewegten. Sie waren grau, wirkten verwaschen. Durch das Gefieder schimmerte ein pechschwarzer Flaum, der ihren Namen rechtfertigte. Erna erklärte ihm, dass die Farbe das Ergebnis mühsamer Zucht war.
    «Grau», sagte sie, «ist für die Genetik am besten.»
    Von dieser Rasse hatte sie alle Varietäten gekauft, von dunkelgrün bis dunkelblau.
    «Das Dunkle», sagte sie, «sorgt dafür, dass sie einen besonderen Bereich der Sonnenstrahlen absorbieren. Das Fleisch ist dann anders, hat etwas Eigenes. Aus dem gleichen Grund sind die Eier rot.»
    Sie zeigte ihm die Nester. Von dort, wo sie standen, sah man
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