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Ambient 05 - Elvissey

Ambient 05 - Elvissey

Titel: Ambient 05 - Elvissey
Autoren: Jack Womack
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1
    Als Elvis schon einige Jahre tot war, rettete er mich vor dem Ertrinken. Betty, der Chihuahua meines verstorbenen Mannes, fiel vom Pier, worauf ich hinterhersprang, ohne daran zu denken, daß ich gar nicht schwimmen konnte. Als ich zwischen den Wellen versank, zog mich eine starke Hand heraus. Obwohl der Schein Seines Anzugs mich blendete, sah ich Sein Gesicht, in himmlisches Licht getaucht. Als ich meinen Blick abwandte, um nicht in Seiner Herrlichkeit zu verbrennen, wußte ich, ohne fragen zu müssen, daß Er mich in Seiner Liebe reinigte und Er mich von jetzt an auf meinen Wegen begleiten würde. Als ich auf die Knie fiel, fuhr Er zu den Wolken hinauf und leuchtete wie der Abendstern. Ich habe nicht verstanden, warum er Betty nicht gerettet hat, aber ich weiß, daß es bestimmt einen Grund dafür gibt.
     
    – aus ›Zeugen des Nachspiels‹
    Das Buch E (Vegassener)
     
     
    Ich sehnte mich nach Aufstieg; mein Ehemann träumte vom Abstieg. Damit war unser Schicksal besiegelt.
    »Sinn«, wiederholte Conrad. »Sinn, nicht Zink. Sinn, Sinn, Sinn.«
    »Denken Sie philosophisch, nicht metallisch, um korrekt zu phrasieren«, sagte Weber.
    Da wir wußten, daß die Gegenwart nur dann erträglich war, wenn die Zukunft sie zur Vergangenheit machte, stellten mein Mann und ich uns oft vor, wie unsere Ehe gewesen war oder was für Menschen wir einst gewesen waren. Aber ich war nicht mehr in der Lage, mich durch geistige Hologramme trösten zu lassen, denn wenn ich versuchte, mich an ihren Schimmer zu klammern, lösten sie sich unter der Berührung wie Spiegelungen im Wasser auf.
    »Cruisin' …« wiederholte ich die Vorgabe meines Lehrers.
    »Sinn«, sagte Weber.
    Wir hatten immer wieder versucht, uns zu reoptimieren; glaubten erkannt zu haben, daß es niemals gelingen würde. Dann bedachte die Firma uns mit einer Aufgabe und belebte unsere Erstarrung; wir hielten sie für unsere letzte Chance, das wiederzugewinnen, was wir gewesen waren, so daß wir uns hoffnungsvoll hineinstürzten.
    »Cruisin' …« wiederholte ich; sie nickten. Conrad und Weber waren forensische Philologen, die sich auf die Reanimation toter Sprachen spezialisiert hatten, um die wiederbelebten Worte einer gründlichen Vivisektion unterziehen zu können. Der Unterricht im Slanglabor – im Slabor, reformulierte ich – diente meinem Mann und mir zur Vorbereitung auf unseren Auftrag. Das Slabor wurde im fünften Stock der Philosophy Hall der Columbia auf den Morningside Heights betrieben, unter der Schirmherrschaft von Dryco. Wir alle arbeiteten für Dryco, es gab keine bessere Firma – keine andere, um genau zu sein, ob reoptimiert oder nicht. »Cruisin' for a bruisin'.«
    Die Worte gingen mir glatt von der Zunge, obwohl die Reiblaute meinen Lehrern gelegentlich in den Ohren schmerzten. Diesmal hatte ich sie mit meiner korrekten Nachahmung zufriedengestellt. »Okay«, sagte Conrad und verzog sein Gesicht zu einem rasiermesserscharfen Lächeln, wie John es nannte. »Demetafizierung.«
    Metaphernbedeutung hieß das; ich dachte über die möglichen Interpretationen nach und entschied mich für eine, die mir persönlich gefiel. »Man stößt auf Schwierigkeiten, wann immer und wo immer man danach sucht«, sagte ich. Doch warum sollte man nach Schwierigkeiten suchen, wenn man so leicht darauf stößt?
    »Exzellent«, sagte Weber. »Weiter«, forderte er seinen Monitor auf, dessen blaues Auge nicht einmal blinzelte. »Phrasierung.«
    »Moderater Tonfall, um das Interface zu effektieren …« begann Conrad zu sagen.
    »Phrasierung«, befahl Weber mit tieferer Stimme und Gesichtsfarbe. »Bitte«, fügte er hinzu; schließlich erhielt er eine Reaktion. Hieroglyphen schälten sich aus dem Blau wie die aus Schaum geborene Venus. Ich starrte türwärts, während Weber entzifferte und mir ein langvergessener Slang in den Ohren klang; im Korridor sah ich eine Frau, die einen verschleierten Behälter trug. Eine der Künstlerinnen, dachte ich. Auch eine Arbeitsperson schlenderte zwischen den Studenten hindurch und rötete ihren orangenen Overall mit blutroten Händen. Während des einen Monats, den mein Mann und ich auf dem Campus mit dem Training verbracht hatten, wurden Weinreben von allen Collegewänden gelöst, damit der Efeu seine abgeschlagenen Adern wieder über die Ziegel schießen lassen konnte, um reoptimierte Strukturen zu enthüllen, die zur Beherbergung reoptimierter Seelen geeignet waren. Die Reoptimierung sollte angeblich alles, was falsch war, wieder
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