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Die Messerknigin

Titel: Die Messerknigin
Autoren: Neil Gaiman
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entfernt, bis meine Haut eisig kalt geworden war. Dann verlangte er, dass ich mich auf den Rücken legte, die Hände auf der Brust gefaltet und die Augen weit geöffnet, aber starr auf die Deckenbalken gerichtet. Er bat mich, so flach wie möglich zu atmen und mich nicht zu bewegen. Und er flehte mich an, nicht zu sprechen. Er spreizte meine Beine.
    Und dann drang er in mich ein.
    Als er zustieß, spürte ich, wie meine Hüften sich hoben, wie ich mich ihm anpasste, jeden der heftigen Stöße erwiderte. Ein Stöhnen entfuhr mir. Ich konnte es nicht zurückhalten.
    Sein Glied glitt heraus. Ich streckte die Hand aus und berührte es: ein winziges, glitschiges Ding.
    »Bitte«, sagte er leise. »Du darfst dich weder bewegen noch sprechen. Lieg einfach still auf dem Steinboden, so kalt und schön.«
    Ich versuchte es, doch er hatte, was auch immer seine Manneskraft erregte, verloren und wenige Zeit später verließ ich den Prinzen, seine Flüche und Tränen verfolgten mich bis in meine Gemächer.
    Er brach früh am nächsten Morgen mit all seinen Männer auf und sie ritten davon in den Wald.
    Ich stelle mir vor, wie es sich anfühlte in seinen Lenden: ein Knoten der Enttäuschung am Ansatz seiner Männlichkeit. Ich stelle mir vor, wie er die bleichen Lippen zusammenpresste. Dann stelle ich mir vor, wie sein kleiner Trupp durch den Wald ritt und schließlich auf den aus Glas und Kristall errichteten Grabhügel meiner Stieftochter stieß. So bleich. So kalt. Nackt unter dem Glas, kaum mehr als ein Kind und tot.
    In meiner Fantasie kann ich die plötzliche Härte in seiner Hose beinah fühlen, mir die Lust vorstellen, die sich seiner bemächtigte, die Dankgebete, die er ob dieser glücklichen Fügung vor sich hin murmelte. Und vor meinem geistigen Auge sehe ich, wie er mit den kleinen haarigen Männern verhandelte, ihnen Gold und Gewürze für den schönen Leichnam in dem Kristallgrab bot.
    Nahmen sie das Gold willig an? Oder sahen sie seine Männer auf ihren Rössern, mit ihren scharfen Schwertern und Speeren und erkannten, dass ihnen nichts anderes übrig blieb?
    Ich weiß es nicht. Ich war nicht dort, habe nicht in meinen Spiegel geblickt. Ich kann nur ahnen …
    Hände, die die Glasscheiben und Quarzklumpen von ihrem kalten Leib nehmen. Hände, die sanft ihre kalte Wange liebkosen, ihren kalten Arm bewegen, den Leichnam, der noch so frisch und biegsam war.
    Nahm er sie dort vor ihrer aller Augen? Oder ließ er sie zu einem verborgenen Winkel schaffen, eh er sie bestieg?
    Ich kann es nicht sagen.
    Hat sich der Apfel aus ihrer Kehle gelöst, als er in sie hineinstieß? Oder öffnete sie langsam ihre Augen, dann den Mund, diese roten Lippen, schlug sie ihre scharfen gelben Zähne in seinen schwärzlichen Hals, sodass das Blut, welches Leben bedeutet, ihre Kehle hinabrann und das Stück meines vergifteten Apfels hinabspülte?
    Ich stelle es mir vor, doch ich weiß es nicht.
    Ich weiß nur so viel: Ich wachte mitten in der Nacht davon auf, dass das Herz wieder schlug und pulsierte. Salziges Blut tropfte auf mein Gesicht. Ich richtete mich auf. Meine Hand brannte und pochte, als hätte ich mir mit einem Stein auf den Handballen unterhalb des Daumens geschlagen.
    Jemand hämmerte an meine Tür. Ich fürchtete mich, doch ich bin eine Königin und so zeigte ich meine Furcht nicht. Ich öffnete.
    Erst betraten seine Männer mit ihren scharfen Schwertern und den langen Speeren mein Gemach und umringten mich.
    Dann kam er herein und spuckte mir ins Gesicht.
    Endlich trat sie ein, so wie in der Nacht, als ich gerade Königin geworden und sie ein Kind von sechs Jahren war. Sie schien völlig unverändert.
    Sie riss den Zwirnsfaden, an dem ihr Herz hing, von seinem Balken und streifte die Vogelbeeren eine nach der anderen ab und auch die Knoblauchknolle, die nach all den Jahren klein und vertrocknet war. Dann schloss sie die Finger um ihr pochendes Herz – ein kleines Ding war es, nicht größer als das einer Ziege oder einer Bärin – und es lief über und pumpte sein Blut in ihre Hand.
    Scharf wie Glas müssen ihre Nägel gewesen sein: sie ritzte sich die Brust damit auf, genau auf der purpurnen Narbe. Plötzlich klaffte das Fleisch auf, weit und blutlos. Sie leckte einmal über ihr Herz, als das Blut ihr durch die Finger rann, dann steckte sie das Herz tief in die offene Brust.
    Ich sah, wie sie es tat. Sah, wie die Wunde sich wieder schloss. Und ich sah, wie die Narbe zu verblassen begann.
    Ihr Prinz schien einen Augenblick
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