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Die Messerknigin

Titel: Die Messerknigin
Autoren: Neil Gaiman
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erschrocken, legte aber nichtsdestotrotz den Arm um sie. Dann standen sie Seite an Seite da und warteten.
    Und sie blieb kalt, die weiße Todesblüte blieb auf ihren Lippen und seine Lust war nicht geschmälert.
    Sie sagten mir, dass sie heiraten wollten, dass die Königreiche in der Tat vereint sein würden. Und sie sagten, dass ich am Tage ihrer Hochzeit bei ihnen sein würde.
    Es wird heiß hier drin.
    Sie haben den Menschen schreckliche Dinge über mich erzählt, ein bisschen Wahrheit, um dem Gericht Würze zu verleihen, doch vermischt mit vielen Lügen.
    Man band mich und hielt mich in einer winzigen steinernen Zelle unter dem Palast gefangen. Dort verbrachte ich den ganzen Herbst. Heute befreiten sie mich aus meinem Verlies, zogen mir die Lumpen aus, wuschen den Schmutz von meinem Körper und dann rasierten sie mir Kopf und Schoß und bestrichen meine Haut mit Gänseschmalz.
    Der Schnee fiel, als sie mich hinaustrugen – zwei Mann an jedem Arm und jedem Bein. Nackt und schutzlos und durchfroren war ich und sie trugen mich zu diesem Ofen.
    Meine Stieftochter stand dort mit ihrem Prinz. Sie betrachtete mich in meiner vollkommenen Entwürdigung und sagte nichts.
    Als sie mich johlend und höhnend hineinstießen, sah ich eine Schneeflocke auf ihre Wange fallen und dort haften bleiben, ohne zu schmelzen.
    Sie schlossen die Ofentür. Es wird immer heißer hier drinnen und draußen lachen sie und jubeln und schlagen gegen die Ofenwand.
    Sie hat nicht gelacht, nicht gespottet, nicht gesprochen. Sie hat mich nicht verhöhnt und sich nicht abgewandt. Doch sie hat mich angeschaut und für einen Augenblick sah ich mein Spiegelbild in ihren Augen.
    Ich werde nicht schreien. Die Befriedigung werde ich ihnen nicht geben. Meinen Körper können sie nehmen, doch meine Seele und meine Geschichte gehören mir allein und sollen mit mir sterben.
    Das Gänsefett beginnt, auf meiner Haut zu schmelzen und zu glitzern. Ich werde keinen Laut von mir geben. Ich werde nicht mehr daran denken.
    Stattdessen will ich an die Schneeflocke auf ihrer Wange denken.
    Ich denke an ihr kohlschwarzes Haar, ihre Lippen, röter als Blut, und ihre Haut – sneewit .
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