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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst
Autoren: Guido Dieckmann
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an Davids Bett zu verlassen. Sie hatte ihm die Stirn gekühlt und eine kräftige Brühe eingeflößt. In ihrer Angst, ihn zu verlieren, hatte sie sogar Abend für Abend das Lied für ihn gesungen, sobald ihre Verwandten sich zurückgezogen hatten. Die Melodie war ihr jedes Mal leichter von den Lippen gegangen, auch an den Text erinnerte sie sich inzwischen mühelos, doch erholt hatte sich David deswegen nicht schneller.
    War es möglich, dass ihre Gabe sie ausgerechnet an dem Ort im Stich ließ, an dem sie das heilende Lied zum ersten Mal gehört hatte? Es blieb ihr nur, darüber zu mutmaßen, denn eine Antwort konnte ihr niemand geben.
    Zu ihrer Erleichterung war David ein zäher junger Mann, der viel zu dickköpfig war, um sich so rasch geschlagen zu geben. Nach einer Woche Pflege hatte er das Fieber besiegt und durfte aufstehen. Im Schein der Kerzen wirkte er noch ein wenig blass und sein Gesicht noch schmaler als sonst, aber seine klugen Augen verkündeten Tatkraft und eine Menge neuer Pläne.
    «Dann ist es dir auch gelungen, ein paar Leute zu befragen, wie die Verhandlungen zwischen den Spaniern und den Abgesandten der Niederländer verlaufen sind?», erkundigte er sich, nachdem er einen Hustenkrampf niedergekämpft hatte.
    Henrika sprang auf und schenkte ihm ein Glas Wasser ein. Danach wies sie auf die Aktenmappe, die sie vor ihm auf den Tisch gelegt hatte.
    «Dieses eine Mal hat Laurenz die Wahrheit gesagt», erklärte sie. «Die streitenden Parteien konnten sich tatsächlich auf einen Waffenstillstand einigen, wenn auch nicht auf einen Friedensschluss. Philipp von Spanien fürchtet sich vor einer Anerkennung der niederländischen Republik. Auch in der Frage des Glaubens sind sich die hohen Herren nicht einig geworden. Die nördlichen Provinzen wollen nur die calvinistische Predigt im Land dulden, nicht aber die römische Messe. Hier im Süden sollen die katholischen Priester ihren Einfluss behalten.»
    «Dann gehe ich mal davon aus, dass dein ausführlicher Bericht unser geliebtes Straßburg längst erreicht hat?»
    Henrika errötete; ihr Herz klopfte, als sie die Aktenmappe öffnete und David ein zerknittertes Exemplar der Straßburger Relation überreichte. Sie konnte es selbst kaum fassen, dass Carolus so schnell auf ihre Botschaft reagiert und die Druckerpresse in Bewegung gesetzt hatte. Die Kurierreiter zogen schon längst wieder durch die Lande. In Straßburg und vielen anderen Städten des Reichs konnten die Menschen seit einigen Tagen lesen, was Henrika aus der Stadt Antwerpen über den Waffenstillstand geschrieben hatte. Die Zeitung war in aller Munde.
    «Meister Carolus lässt dich von Herzen grüßen», sagte Henrika, während David die Druckschrift einer fachmännischen Prüfung unterzog.
    «Er schreibt, dass ich zurückkehren könne, wann immer mir danach sei. Waldemar Zorn schäumt vor Wut darüber, dass die Zeitung so erfolgreich ist. Eine zweite kann er in Straßburg nicht etablieren. In Wolfenbüttel soll ein Nachrichtenblatt entstanden sein, aber ihr Begründer lehnte den alten Zorn als Geldgeber ab.»
    «Das sind tatsächlich erfreuliche Neuigkeiten. Aber wie steht es um deinen Fall?»
    «Jeremias Zorn und der Graf Otto zu Solms haben die Vorwürfe gegen mich entkräftet, daher dürfte ich sogar wieder in die Kurpfalz reisen. Aber Carolus meint, er würde es verstehen, wenn ich …»
    David ließ die Gazette sinken und blickte sie an. «Du meinst, wenn wir uns dafür entscheiden würden, in Flandern zu bleiben. Henrika, ich liebe dich. Du bist für mich der wichtigste Mensch auf der Welt. Ich möchte, dass wir diesem Haus gemeinsam eine Seele geben.»
    Sie zuckte zusammen. Eine Seele, hatte er gesagt. Konnte er ihre Gedanken lesen?
    «Ich wünsche mir auch, dass wir keine Gastwirtin mehr täuschen müssen, wenn wir irgendwo eine gemeinsame Kammer beziehen, während …»
    «Während wir für die Gazette durch die Lande ziehen und Nachrichten sammeln?», fragte sie vorsichtig. «Du würdest mir erlauben, mich weiterhin mit der schwarzen Kunst zu befassen?»
    «Du bist unverbesserlich», sagte David. «Aber von mir aus, warum nicht? Ich reise gern mit dir umher, wenn wir nur einen Platz haben, an den wir zurückkehren können, um uns die kalten Füße am Kamin zu wärmen.» Er streichelte sanft über ihre Wangen, dann berührte er ihre Lippen und ihr Kinn.
    Seine Finger waren so warm, dass Henrika einen Augenblick lang Angst hatte, sein Fieber könnte zurückgekehrt sein. Doch dann begriff
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