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Die Marseille-Connection

Die Marseille-Connection

Titel: Die Marseille-Connection
Autoren: Massimo Carlotto
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rechtfertigte sich der Personalchef, »von denen kommen immer Neue.«
    »Und jeder muss neu lernen, mit der Säge umzugehen, das dauert sieben bis zehn Tage«, entgegnete Sosim. Mit langsamer, wohlkalkulierter Geste deutete er auf den umgebenden Wald. »Wir brauchen schnelle, effiziente Arbeiter, bald kommt der Winter, und wenn der Schnee zu hoch ist, können sie die Sägen nicht mehr benutzen. Aber bis dahin soll hier eine schön saubere Ebene sein.«
    Sosim Katajew schwieg lange genug, dass seine Botschaft unmissverständlich klar wurde, dann wandte er sich wieder der Organisation der Arbeit zu. Die Beamten staunten verblüfftüber seine Kompetenz und verabschiedeten sich innerlich von dem Plan, den so brav wirkenden jungen Mann zu beschwindeln.
    Am Horizont tauchten zwei Helikopter auf, von denen einer sich zur Landung bereitmachte. Katajew fasste in die Innentasche seines Mantels und verteilte Umschläge. Nicht alle waren gleich gut gefüllt. Die dickeren gingen an die Chefs. Alle nickten zum Dank, er hielt sich nicht lange mit Abschiedsfloskeln auf. Auf dem Weg zum Helikopter begegnete er dem Blick eines jungen Tadschiken. Er hatte dieselben Augen wie der Wolf, der ihn vom Dach herab angesehen hatte. Als er die Lippen zu einem leichten Lächeln öffnete, zeigte der junge Mann Greisenzähne und entzündetes Zahnfleisch. Sosim war klar, dass er den Winter nicht überleben würde.
    Der Hubschrauber startete in einem Wirbel von Blättern und Sägemehl. Ein paar Sekunden, und der junge Tadschike wurde immer kleiner. Dann war er verschwunden.
    »Alles, wie es soll?«, fragte Witali Saytsew.
    »Ja, alles in Ordnung«, antwortete Sosim zerstreut. »Aber ich muss nach Kiew und ein paar Details regeln.«
    »Komm schnell zurück«, gebot ihn sein Boss mit einer unbestimmten Handbewegung auf die beiden anderen Passagiere. »Sie wollen wissen, was du im Schilde führst.«
    Katajew lächelte, zum ersten Mal an diesem Tag. »Du wirst stolz auf mich sein, Pachan .«
    Drei Tage später hielt der schwarze Mercedes, der Sosim zu Hause abgeholt hatte, vor dem Eingang des früheren Sportclubs der Roten Armee, den Saytsew als Hauptquartier seiner Organisation gewählt hatte. Foma, der Fahrer, grinste indie Überwachungskamera, und das massive Einfahrtstor glitt beiseite.
    Sosim legte die Aufzeichnungen zusammen, die er bislang gelesen hatte, und verstaute sie in seiner Aktentasche. Foma sah ihn im Rückspiegel an. Er war kaum über zwanzig. »Soll ich hier auf dich warten?«, fragte er und drehte das Radio an. Die Stimme von Glukoza füllte mit »Svadba« das Innere des Wagens.
    Sosim lächelte. »Du bist krank, dass du nichts anderes hörst als das.«
    »Ich bin verliebt, das ist was anderes.«
    »Wenn du ihr den Hof machen willst, musst du nach Moskau umziehen und dafür sorgen, dass ihr Mann sich dünnemacht.«
    »Halb so wild, er ist nur irgend so ein Magnat. Das eigentliche Problem ist, den Pachan zu überzeugen«, seufzte er. »Also, was soll ich tun? Warten?«
    »Es dürfte seine Zeit dauern. Du kannst so lange ein Spiel mit den Jungs machen.«
    Sosim durchquerte den von verblichener sowjetischer Propaganda geschmückten Eingang, dann das eigentliche Sportstudio, in dem schweißglänzende, nackte, von Tattoos bedeckte Oberkörper Gewichte stemmten. Durch eine kleine Tür gelangte er auf eine Dienstbotentreppe und über sie in einen von zwei Bewaffneten bewachten Flur. Er kam an einem Raum vorbei, in dem drei Männer bündelweise Rubel, Dollars und Euros in Geldzählmaschinen legten, erreichte einen geräumigen Saal, in dem einst die Offiziere der Roten Armee getanzt hatten, und ging auf eine gepanzerte Tür zu, die von zwei mittelalten Gorillas mit Maschinengewehren bewacht wurde. Der Pachan bevorzugte etwas erfahrenereMänner, die vielleicht nicht mehr ganz so schnell waren, dafür aber über ein geschultes Auge verfügten. Sosims Schritte hallten in dem Saal wider, doch sie würdigten ihn keines Blickes und machten sich nicht die Mühe, ihn zu grüßen. Sosim war nie im Knast gewesen und trug auch keine Tattoos. Nach ihren Begriffen wie denen der anderen hatte Sosim keine Geschichte. Trotzdem gehörte der junge Mann zu den Bossen, und als klar wurde, dass er nicht die Absicht hatte, die Klinke zu drücken, musste einer der beiden sich bequemen und ihn einlassen.
    Neben dem Boss hinter seinem gewaltigen Schreibtisch warteten sechs weitere Männer auf ihn, bequem in Sesseln und auf Sofas sitzend. Sie waren ebenso alt wie
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