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Die Marseille-Connection

Die Marseille-Connection

Titel: Die Marseille-Connection
Autoren: Massimo Carlotto
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griff nach seiner an der Wand lehnenden Kalaschnikow, doch eine Granate war schneller.
    Der Mercedes hielt vor dem Haupteingang. Den Motor des Mercedes abzustellen, war das Letzte, was der junge Fahrer tat. Der Mann neben ihm setzte ihm eine Kugel unters Kinn und stieg dann aus wie die anderen. Sosim blieb im Wagen sitzen, hinter Fomas Leichnam.
    Er spürte nichts. Dabei hatte er lange auf diesen Augenblick hingearbeitet. Drinnen war bereits eine Schlacht entbrannt, über deren Ausgang für ihn kein Zweifel bestand. Diejenigen, die er hier eingeschleust hatte, würden gewinnen.
    Schon waren nur noch vereinzelte Detonationen zu hören. Gnadenschüsse. Ein paar Minuten später kamen sie ihn holen. Sosim durchwanderte wieder die Flure und Säle, diesmal musste er über Leichen steigen. Die der Buchhalter waren auf die Seite geschafft worden, und ein paar Männer häuften die Geldscheine in Plastiktüten.
    Sosim betrat das Arbeitszimmer des Pachan . Der war der einzige Überlebende. Umso besser, das machte die Sache für ihn leichter. Die anderen hatten sich hinknien müssen, dann hatte man ihnen einen Nackenschuss verpasst. Mit einem Blick begriff Witali, wer hinter der Vernichtung seiner Brigade steckte. Es war ein so schwerer Schlag für ihn, dass er sich an die Brust griff und zusammensackte.
    Katajew zerrte ihn an einem Arm zu einem Regal, hinter dem sich der Wandtresor verbarg. Er presste Saytsews Hand auf den Scanner, und die Tür öffnete sich. Witali starb, aber Sosim packte rasch einen Laptop mit biometrischer Sicherung und hielt Witalis Gesicht für die Retina-Erkennung fest.
    Während Katajew schnell etwas über die Tastatur eingab, versuchte Witali ihm etwas zu sagen. Wahrscheinlich wollte er ihn beschimpfen, ihm seine Verachtung ins Gesicht schreien, doch er brachte nur unartikulierte Töne heraus.
    »Mach hin!«, rief einer vom Kommando. »Wir legen gleich Feuer.«
    »Ihr müsst abwarten«, entgegnete Sosim. »Der Laptop muss in den Tresor zurück, und ich bin noch nicht fertig.«
    »Fünf Minuten«, knurrte der andere, »du hast noch fünf Minuten.«
    Der vom Pachan für unverbrüchlich treu gehaltene Wirtschaftsexperte tilgte jegliche Spur von den organisatorischen Verknüpfungen hinter den Tschernobylgeschäften. Dann tat er alles wieder an seinen Platz. Der Tresor würde dem Feuer widerstehen, nicht aber dem Schweißbrenner, mit dem die Überlebenden der Brigade ihn öffnen würden; sie sollten glauben, der Anschlag habe Saytsews Leben und dem etlicher seiner Bosse gegolten. Bei der Gelegenheit hätte Sosim auch Geld von den Konten auf den Cayman-Inseln abheben können, aber das wäre ein verdächtiges Detail gewesen, an dem sein ausgeklügelter Plan nicht scheitern sollte.
    Während das Kommando die Phosphorbomben in Stellung brachte, eilte Katajew ins Erdgeschoss auf der Suche nach einer bestimmten Leiche, die er gleich unten an der Treppe fand. Er zog ihr seine Armbanduhr an – auf dem Gehäuse war die Widmung des Pachan eingraviert –, außerdem seine Schuhe und seinen Mantel mit Portemonnaie und allen Dokumenten. Einer der Bewaffneten schoss dem Toten eine Ladung Kugeln ins Gesicht, um ihn unkenntlich zu machen. Das Feuer, das bereits im Obergeschoss wütete, würde den Rest erledigen.
    Eine Hand packte Sosim und zog ihn hinaus, andere stießen ihn auf den Rücksitz des SUV, in dem schon die Frau wartete, die den Überfall angeführt hatte. Der Fahrer gab Gas, der Wagen schoss durch das Tor. Nach ein paar hundert Meternnahmen beide ihre Sturmhauben ab. Sie war blond, attraktiv, hatte hohe Wangenknochen und einen im Fitnessstudio gestählten Körper. Ihr Name war Ulita Winogradowa, Leutnant beim FSB, dem aus der Asche des KGB erstandenen russischen Inlandsgeheimdienst.
    »Wie fühlt man sich so als Toter, Sosim?«
    »Frag das lieber Witali.«
    »Dabei hatte er so große Pläne mit dir.«
    »Sie waren nicht nach meinem Geschmack.«
    »Keinerlei Gewissensbisse? Du musst doch etwas für deine gefallenen Kameraden empfinden.«
    »Es ist mir ein Hochgenuss, mich dieser Idioten zu entledigen. Meine Loyalität gilt dem Vaterland, sonst niemandem.«
    Ulita legte ihm die Hand auf den Oberschenkel und griff fest zu, was ihm eine schmerzverzerrte Grimasse entlockte.
    »Dem Vaterland und mir«, schnurrte sie. »Du bist mein Geschöpf, Sosim, vergiss das nie.«
    Katajew rang sich ein Lächeln ab. »Das würdest du mir nicht erlauben, da bin ich gewiss.«
    »General Worilow sagt, wer einmal verrät, der tut es
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