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Die Macht des Zweifels

Titel: Die Macht des Zweifels
Autoren: Jodi Picoult
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Nathaniel ein, ehe ich mich an meine eigenen mache.
    Als ich gerade eine Jeans aufhängen will, fällt mein Blick auf die Reisetasche. Steht die wirklich schon seit zwei Wochen da, ganz hinten in den Wandschrank geschoben? Caleb hat sie wahrscheinlich dort vergessen. Er hat genug Sachen in seinen Schubladen und mußte die Tasche, die er mit ins Motel genommen hat, nicht unbedingt auspacken. Aber der Anblick stört mich; die Tasche erinnert mich an den Moment, als er ausgezogen ist.
    Ich ziehe ein paar langärmelige Hemden heraus, ein paar Boxershorts. Erst als ich sie in den Wäschekorb werfe, fällt mir auf, daß meine Hand klebrig ist. Ich reibe die Fingerspitzen aneinander, runzle die Stirn, nehme ein Hemd und falte es auseinander.
    In einer Ecke ist ein großer grüner Fleck.
    Auch an einigen Socken sind Flecke. Es sieht aus, als wäre etwas ausgelaufen, aber als ich in der Tasche nachsehe, finde ich keine Shampooflasche oder dergleichen.
    Aber es riecht auch nicht wie Shampoo. Ich weiß nicht, woran mich dieser Geruch erinnert. Etwas Chemisches.
    Das letzte Kleidungsstück in der Tasche ist eine Jeans. Gewohnheitsmäßig greife ich in die Taschen, um sicherzugehen, daß Caleb auch kein Geld oder Quittungen drin gelassen hat.
    In der linken Gesäßtasche ist ein Fünfdollarschein. Und in der rechten Gesäßtasche sind Bordkarten für zwei Flüge mit US Air: einer von Boston nach New Orleans, einer von New Orleans nach Boston, beide mit Datum vom 3. Januar 2002. Der Tag nach Nathaniels Anhörung zur Feststellung der Verhandlungsfähigkeit.
    Wenige Schritte hinter mir ertönt Calebs Stimme. »Ich habe getan, was ich tun mußte.«
    Caleb schreit Nathaniel an, er solle nicht mit dem Frostschutzmittel spielen. »Wie oft muß ich dir das noch sagen? Es ist giftig.« Mason, der die Pfütze auflecken will, weil das Zeug so süß schmeckt. Er weiß es ja nicht besser .
    Â»Die Katze«, flüstere ich und drehe mich zu ihm um. »Die Katze ist auch gestorben.«
    Â»Ich weiß. Wahrscheinlich hat sie sich über den Rest von dem Kakao hergemacht. Ethylenglykol ist zwar giftig … aber ziemlich süß.« Er streckt die Hand nach mir aus, aber ich weiche zurück. »Du hast mir seinen Namen genannt. Du hast gesagt, es wäre noch nicht vorbei. Ich habe doch nur zu Ende gebracht«, sagt Caleb leise, »was du begonnen hattest.«
    Â»Nicht.« Ich hebe eine Hand. »Caleb, erzähl es mir nicht.«
    Â»Du bist die einzige, der ich es erzählen kann .«
    Er hat natürlich recht. Als seine Ehefrau bin ich nicht verpflichtet, gegen ihn auszusagen. Nicht einmal dann, falls Gwynnes Leiche obduziert wird und man im Gewebe Giftspuren findet. Nicht mal, wenn die Beweise schnurstracks zu Caleb führen.
    Aber andererseits habe ich drei Monate lang zu spüren bekommen, welche Auswirkungen es hat, wenn man das Gesetz in die eigene Hand nimmt. Ich war so nah dran, alles zu verlieren, was ich mir je gewünscht hatte – ein Leben, das ich törichterweise nicht genug zu schätzen wußte, bis es mir beinahe weggenommen wurde.
    Ich starre Caleb an, warte auf eine Erklärung.
    Doch es gibt Gefühle, die so gewaltig und groß sind, daß Worte ihnen nicht gerecht werden können. Weil ihm die Sprache nicht genügt, hält Caleb meinen Blick fest und zeigt mir das, was er nicht sagen kann. Er hebt die Hände und faltet sie fest. Für jemanden, der nicht gelernt hat, auf andere Weise zu hören, sieht es aus, als bete er. Aber ich weiß, es ist das Zeichen für Ehe .
    Mehr braucht er nicht zu sagen.
    Plötzlich kommt Nathaniel in unser Schlafzimmer gestürmt. »Mom, Dad!« ruft er. »Ich hab eine unheimlich coole Burg gebaut. Die müßt ihr euch ansehen.« Er wirbelt herum und fegt schon wieder hinaus, erwartet, daß wir ihm folgen.
    Caleb sieht mich an. Er kann nicht den ersten Schritt tun. Schließlich ist Kommunikation nur möglich, wenn der andere einen versteht, ist Vergebung nur möglich, wenn der andere bereit ist zu vergeben. Also gehe ich zur Tür und drehe mich um. »Komm«, sage ich zu Caleb. »Er braucht uns.«

Es passiert, als ich versuche, blitzschnell die Treppe runterzurennen, und meine Füße viel weiter vorn sind als ich. Auf einmal ist eine Stufe nicht da, wo sie sein müßte, und ich pralle gegen das Geländer, wo die Hände
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