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Die Macht des Zweifels

Titel: Die Macht des Zweifels
Autoren: Jodi Picoult
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Aber ich weiß auch, daß Sie zu einem Ergebnis gelangen können … auch neue Geschworene, sollte der Fall ein weiteres Mal verhandelt werden müssen, werden keine besseren Voraussetzungen haben als Sie.« Er blickt die Geschworenen nüchtern an. »Ich fordere Sie auf, zurück in den Geschworenenraum zu gehen und Ihre jeweiligen Ansichten noch einmal respektvoll gegeneinander abzuwägen. Vielleicht gelingt Ihnen ja doch noch eine Einigung.«
    Â»Und was jetzt?« flüstert Caleb von hinten.
    Ich sehe den Geschworenen nach, die voller frischer Energie den Saal verlassen. Jetzt warten wir weiter .

    Wenn man mit ansieht, wie sich jemand vor Anspannung völlig verkrampft, wird man selbst ganz nervös. So ergeht es Caleb, nachdem er weitere zweieinhalb Stunden mit Nina gewartet hat. Ihre Augen starren ins Leere; das Kinn hat sie auf die geballte Faust gestützt.
    Â»Geht’s noch?« fragt Caleb leise.
    Â»Ja.« Sie lächelt schmallippig. » Ja! « wiederholt sie.
    Â»Was hältst du davon, wenn wir drei zu den Getränkeautomaten gehen?« schlägt er vor.
    Â»Gute Idee.«
    Caleb dreht sich zu Nathaniel um und sagt ihm, daß sie sich jetzt alle zusammen eine Erfrischung holen. Der Junge läuft zur Tür, und Caleb folgt ihm. »Komm«, sagt er zu Nina. »Laß uns gehen.«
    Sie starrt ihn an, als hätten sie noch kein Wort miteinander gesprochen, schon gar nicht vor einer halben Minute. »Wohin denn?« fragt sie.

    Patrick sitzt auf einer Bank hinter dem Gerichtsgebäude, schlotternd vor Kälte, und schaut zu, wie Nathaniel über das Feld tobt. Schließlich läßt der Junge sich neben Patrick auf die Bank fallen. Seine Wangen sind leuchtend rot, und ihm läuft die Nase. »Hast du ein Taschentuch, Patrick?«
    Er schüttelt den Kopf. »Tut mir leid, Krauter. Nimm den Ärmel.«
    Nathaniel lacht und gehorcht. Er schiebt den Kopf unter Patricks Arme, und am liebsten würde Patrick laut aufschreien. Wenn Nina doch sehen könnte, wie ihr Sohn sich danach sehnt, berührt zu werden – ach verdammt, das würde ihre Moral jetzt auch nicht gerade heben. Er drückt Nathaniel ganz fest und gibt ihm einen Kuß auf den Kopf.
    Â»Ich spiele gern mit dir«, sagt Nathaniel.
    Â»Und ich spiele gern mit dir.«
    Â»Du schimpfst nicht mit mir.«
    Patrick sieht ihn an. »Hat deine Mom mit dir geschimpft?«
    Nathaniel zieht die Schultern hoch, dann nickt er. »Sie ist ganz anders, so als wäre sie ausgetauscht worden gegen eine, die nicht stillsitzen kann und die mir nicht zuhört, wenn ich was sage, und die immer bloß Kopfschmerzen davon kriegt.« Er blickt nach unten. »Ich will meine alte Mom wiederhaben.«
    Â»Das will sie doch auch, Krauter.« Patrick schaut nach Westen, wo die Sonne gerade die ersten blutroten Streifen an den Horizont malt. »Du mußt das verstehen, sie ist im Augenblick ziemlich nervös. Weil sie nicht weiß, was sie erwartet.« Als Nathaniel nur mit den Achseln zuckt, fügt er hinzu: »Du weißt aber doch, daß sie dich liebhat.«
    Â»Na und?« sagt der Junge trotzig. »Ich hab sie auch lieb.«
    Patrick nickt. Da bist du nicht der einzige , denkt er.

    Â»Ein Prozeß ohne Ergebnis?« wiederhole ich kopfschüttelnd. »Nein. Fisher, ich steh das nicht noch mal durch. Das wird beim zweiten Mal außerdem nicht günstiger verlaufen.«
    Â»Ich fürchte, Sie haben recht«, seufzt Fisher. Er wendet sich von dem Fenster ab, an dem er steht. »Ich möchte, daß Sie sich bis morgen früh etwas durch den Kopf gehen lassen.«
    Â»Und das wäre?«
    Â»Die Geschworenen zu entlassen. Falls Sie einverstanden sind, könnte ich morgen früh mit Quentin Brown reden und ihm vorschlagen, dem Richter die Entscheidung zu überlassen.«
    Ich starre ihn an. »Sie wissen, daß wir in diesem Prozeß auf Emotionen gesetzt haben, nicht auf Gesetze. Geschworene könnten mich aufgrund von Emotionen freisprechen. Aber ein Richter entscheidet immer aufgrund der Gesetze. Sind Sie verrückt?«
    Â»Nein, Nina«, entgegnet Fisher nüchtern. »Aber das waren Sie auch nicht.«

    In dieser Nacht liegen wir im Bett, und das Gewicht des Vollmondes lastet auf uns. Ich habe Caleb von meinem Gespräch mit Fisher erzählt, und jetzt starren wir beide an die Decke, als könnte die Antwort dort erscheinen. Ich sehne mich
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