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Die Macht des Zweifels

Titel: Die Macht des Zweifels
Autoren: Jodi Picoult
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Gericht als unschuldig zu gelten hat. Das Gericht schätzt Nina Frost als eine Staatsanwältin ein, die ihren Beruf mit Leib und Seele ausgeübt hat … so daß sie, bevor sie das Gesetz brach, diese Tat sehr sorgfältig abgewogen haben muß.«
    Er hebt den Kopf und schiebt sich die Brille auf dem Nasenrücken höher. »Daher weise ich die Behauptung der Verteidigung, die Angeklagte sei unzurechnungsfähig gewesen, als unbegründet ab.«
    Links von mir eine Bewegung von Quentin Brown.
    Â»Jedoch –«
    Quentin verharrt.
    Â»â€“ muß in diesem Staat bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit in einem Tötungsdelikt außerdem berücksichtigt werden, ob der Angeklagte unter dem Einfluß begründeter Furcht oder begründeten Zorns handelte, ausgelöst durch eine angemessene Provokation. Als Staatsanwältin hatte Nina Frost an jenem Morgen des dreißigsten Oktober keinen Grund, furchtsam oder zornig zu sein … als Nathaniels Mutter jedoch allemal. Der Versuch ihres Sohnes, das Opfer zu identifizieren, der vermeintliche DNA -Beweis und das Insiderwissen der Angeklagten, wie Zeugen in unserem Strafrechtssystem behandelt werden – all das zusammengenommen macht nach Ansicht dieses Gerichts eine im Sinne des Gesetzes angemessene Provokation aus.«
    Ich habe aufgehört zu atmen. Das kann nicht wahr sein.
    Â»Die Angeklagte möge sich erheben.«
    Erst als Fisher meinen Arm packt und mich hochzieht, fällt mir wieder ein, daß der Richter mich meint. »Nina Frost, ich befinde Sie des Mordes nicht schuldig. Ich befinde Sie jedoch schuldig des Totschlags gemäß Artikel 17 A, Paragraph 203 (1)(B) des Strafgesetzes des Staates Maine.«
    Zum erstenmal an diesem Morgen sieht der Richter mich an. »Ich verurteile Sie daher zu einer zwanzigjährigen Haftstrafe im Staatsgefängnis von Maine. Die bereits in Haft verbrachte Zeit wird Ihnen angerechnet.« Er hält inne. »Die noch verbleibende Haftzeit wird auf Bewährung ausgesetzt. Sie haben sich bei Ihrem Bewährungshelfer zu melden, bevor Sie das Gerichtsgebäude heute verlassen, und dann, Mrs. Frost, dürfen Sie gehen.«
    Der Gerichtssaal explodiert förmlich in Blitzlichtgewitter und Stimmengewirr, Fisher umarmt mich, während ich in Tränen ausbreche und Caleb zu mir stürzt. »Nina?« fragt er. »Hab ich das richtig verstanden?«
    Â»Ja, ja … hast du.« Lachend und weinend zugleich, sehe ich ihn an. »Es ist ein Wunder, Caleb.« Der Richter hat mir im Grunde genommen Absolution erteilt. Ich werde meine Gefängnisstrafe nicht antreten müssen, solange ich nicht wieder straffällig werde. Caleb hebt mich hoch und dreht sich mit mir im Kreis. Über seine Schulter hinweg sehe ich Patrick. Er ist sitzen geblieben, lächelt mit geschlossenen Augen. Noch während ich ihn anblicke, öffnet er sie und sieht mich eindringlich an. Nur du , formen seine Lippen lautlos, Worte, die ich nie vergessen werde.
    Als die Reporter davonstürmen, um ihre Redaktionen anzurufen, und sich die Menge im Besucherraum zerstreut, bemerke ich einen anderen Mann. Quentin Brown hat seine Unterlagen zusammengesucht und in die Aktentasche geschoben. Er geht zu dem kleinen Durchgang zwischen unseren Tischen, bleibt stehen und dreht sich zu mir um. Er neigt den Kopf, und ich nicke ihm zu. Plötzlich greift jemand nach meinem Arm, und ich will ihn instinktiv wegziehen, weil ich glaube, daß da jemand mir wieder Handschellen anlegen will. Doch dann öffnet der Gerichtsdiener das elektronische Armband an meinem Handgelenk. Meine Freilassung ist besiegelt.
    Als ich wieder aufschaue, ist Quentin Brown verschwunden.

    Nach einigen Wochen hören die Interviewanfragen auf. Die Medien haben sich auf irgendeine andere sensationsträchtige Geschichte gestürzt, und wir kehren endlich wieder zu unserem gewohnten Leben zurück.
    Na ja, zumindest die meisten von uns.
    Nathaniel wird mit jedem Tag kräftiger, und Caleb hat neue Aufträge angenommen. Patrick hat mich von Chicago aus angerufen, auf halbem Weg zur Westküste. Bislang ist er der einzige, der den Mut hatte, mich zu fragen, womit ich mich jetzt, da ich keine Staatsanwältin mehr bin, beschäftigen werde.
    Die Arbeit war immer ein so wichtiger Teil meines Lebens, daß ich darauf noch keine Antwort geben kann. Vielleicht werde ich ein Buch schreiben. Vielleicht werde ich eine kostenlose
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