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Die Macht des Amuletts

Die Macht des Amuletts

Titel: Die Macht des Amuletts
Autoren: Catherine Fisher
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tun!«, äffte eine andere Stimme ihn spöttisch nach. »Das glaubt er!«
    »Komm und tanze, Menschenkind.« Bemalte Finger packten Katies Hand; sie schüttelte sie wütend ab. Alex ging weiter, sie folgte ihm. Sie schritten durch die angespannte Stille, die dem Tanz folgte, die rußgesichtigen Geschöpfe links und rechts musterten sie mit scharfen Augen; einige kauerten, einige stützten sich auf ihre langen weißen Stöcke. Am Ende stand der Narr und versperrte den Weg, ein bizarres Geschöpf, dessen Gesicht halb schwarz, halb weiß bemalt war, sein dunkles, glänzendes Haar unter dem Federhut hing bis zur Taille.
    Alex blieb nicht stehen. Katie biss sich auf die Lippe. Sie spürte, das die Reihen der Tänzer sich hinter ihr schlossen, die Haut an ihren Schultern und Armen prickelte von ihrer Nähe und der schwülen, elektrisch geladenen Hitze. Der Narr verschränkte die Arme. Alex ging immer noch weiter, bis er dicht vor ihm stand. In letzter Minute trat das unirdische Geschöpf zur Seite und verbeugte sich mit spöttischer Höflichkeit.
    Alex ging an ihm vorbei in die Menge. Heiß vor Erleichterung holte Katie ihn ein. Hinter ihnen brach die ganze Truppe in Gelächter aus.
    Jetzt konnten sie durch Rauch und Funken, die in die Nacht stoben, den magischen Ring sehen. In rotem Schein ragte er auf, und als Katie sich durch die vielen Kinder und Tänzer und Stelzenläufer gedrängt hatte, sah sie schließlich die beiden Geschöpfe, die sie erwartet hatte; jedes Jahr waren sie da und standen sich in der Dunkelheit des Rings gegenüber. Der Kornkönig war jung. Er trug eine Maske mit einem ernsten, ruhigen Apollogesicht und die Krone aus geflochtenen Kornhalmen und Mohnblumen auf dem strohfarbenen borstigen Haar.
    Ihm gegenüber im Schatten stand die Hexe. Sie war eine unförmige Korngestalt mit einem Umhang aus Halmen, der bis hinunter zu ihren Füßen reichte, sodass sie bei jeder Bewegung raschelte wie eine lebendige Garbe. Sie trug eine Maske mit Hakennase und vielen hässlichen Runzeln, doch durch die Augenschlitze sah man grüne, wachsame Augen. Und in der Hand hielt sie ein langes, scharfes Messer. Alex blieb plötzlich stehen. Katie taumelte gegen ihn. Verzweifelt schaute sie sich um und keuchte: »Wo ist er?« Der Harfenist griff nach der Scheibe an seinem Hals. »Schau nach dem Pferd aus!«, schrie er.
    Sandy saß am offenen Fenster.
    Sie konnte das Feld von hier aus nicht sehen, doch sie hörte die wilde Musik des Erntefests, und wenn sie sich konzentrierte, nahm sie durch das Rauschen der Bäume das Getreide auf den entfernten Feldern wahr, das in seinen langen Reihen schwankte, eine leise, ruhelose Bewegung am Rand ihres Bewusstseins.
    Lange hörte sie ihm zu wie einer Stimme. Als der Donner grollte, war er fern, über den Hügeln. Sie stand auf und drehte sich um, ihr Schatten fiel auf das Bett.
    Micks Zimmer war dunkel, an der Decke drängten sich die Schatten, von denen jeder in seinem eigenen schwachen Ton klirrte. Plötzlich kamen sie ihr alle lebendig vor mit ihrem anhaltenden Flüstern und den leisen lockenden Klängen von spröder Schönheit und einer Art Sehnsucht, die sie auch in sich spürte, während sie ihnen lauschte, Sehnsucht nach etwas, das sie weder erklären noch sich ausmalen konnte. Einen Moment lang empfand sie eine maßlose Begierde.
    Dann gab Anna in dem Bettchen nebenan einen gurgelnden Laut von sich. Sandy schauderte.
    Kalt und verführerisch klangen die Glockenspiele in der windstillen Nacht.
    Plötzlich lief Sandy zu Micks Bett, schlüpfte aus den Schuhen und sprang hinauf. Hektisch riss sie die Glockenspiele herunter, ohne auf die herabhagelnden Reißnägel zu achten, sie umklammerte die Mobiles fest, damit sie nicht klirrten, keinen Laut mehr von sich gaben. Dass es so viele waren, überraschte sie. Als sie alle abgenommen hatte, zog sie den Bezug vom Kopfkissen, stopfte sie hinein und erstickte sie, als könnten sie aufschreien.
    Atemlos trat sie hinab auf den Teppich. Während sie nach den Schuhen tastete, zitterte sie am ganzen Körper wie nach einem Wettrennen oder einem Kampf; trotzdem würde sie das Kopfkissen noch hinunter zum Müll tragen. Sie musste das beenden.
    Sie nahm ihre Last unter den Arm, blieb an der Tür stehen und schaute zurück.
    Das Zimmer lag still im Mondlicht. Nur der rauschende Baum murmelte draußen.
     
    »Katie!«
    Michael Carter drängte sich verschwitzt und wütend durch die Menschenmassen zu ihr. »Um Gottes willen«, knurrte er, »wer sind denn
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