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Die Macht des Amuletts

Die Macht des Amuletts

Titel: Die Macht des Amuletts
Autoren: Catherine Fisher
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wahr?« Mr Carter sah ihn ungläubig an. »Wovon in aller Welt reden Sie?«
    »Er ist unglücklich. So unglücklich, dass er geht.« »Geht?«
    »Davonläuft. Ist Musik so viel verlangt?« »Das ist nichts als Unsinn!«, stieß Mr Carter hervor. »Wirklich? Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?« Mr Carter wollte etwas antworten, doch dann schwieg er. »Ich hatte keinen, der mir half«, sagte Alex verzweifelt, »aber er hat Sie. Oder sollte Sie haben. Er braucht Sie.« Mr Carter war plötzlich wütend. »Ich verstehe nicht«, knurrte er, »was Sie das angeht. Ich bin für meinen Sohn verantwortlich. Und bleiben Sie weg von diesem Brunnen!« Während er davonging, schaute Alex ihm nach und drehte die Scheibe in den Fingern. Es hatte nichts geholfen. Ohne Katie ging es nicht. Während die vertraute Glätte durch seine Hände glitt, erinnerte er sich an die höhnische Bemerkung des Wechselbalgs. In welchen Untergrund hatten sie Katie gebracht? Es war zweifellos ein Spalt.
     
    Sie kratzte mit dem abgebrochenen Ziegel daran; ein weiterer Erdbrocken fiel herunter. Keine Mauer, eine Art Erdwand, die aussah wie eine Mauer. Vielleicht ein Eishaus, unterirdische Tunnel, ein anderer Keller. Rasend vor Hoffnung stieß Katie heftig die Ziegelscherbe hinein, grub und kratzte, damit der schwache Schimmer Tageslicht stärker wurde. Es hatte ewig gedauert, bis sie feststellte, woher das Licht kam. Nach ihrer Uhr war es schon acht. Sie war ausgehungert und schmutzig, ihr Gesicht war sicher mit Dreck verschmiert. Aber das musste der Weg hinaus sein! Erde fiel herunter; das Loch wurde größer. Dahinter war eine hellere Dunkelheit, ein Gestank nach Fäulnis, der ihr den Atem nahm. Misstrauisch schaute sie hinein. Geschichten von eingemauerten Leichen kamen ihr in den Sinn und sie ermahnte sich, nicht albern zu sein, aber hier im Finstern war es schwierig, nicht daran zu denken. Etwas bewegte sich hinter ihr.
    Sie fuhr herum und stellte sich den großen düsteren Keller vor. Ratten. Eine nagte in der Nähe an Holz, ein anhaltendes Schaben. Sie wandte sich wieder dem Loch zu, holte Atem und steckte den Arm hinein. Nichts.
    Mit Gesicht und Schulter an den Erdwall gepresst, griff sie in Luft. Dann berührte sie etwas Weiches; einen Boden, dick mit Staub und Moder bedeckt. Kleine feuchte Dinge huschten über ihre Finger. Dann spürte sie etwas Hartes, rund und glatt, an einem Ende zersplittert, und erkundete es mit den Fingern: eine Schädelwölbung, ein Nasenrücken, konkave Augenhöhlen. Da zuckte sie schaudernd zurück. Sie erkannte einen Schädel, wenn sie ihn abtastete. Nach einer Sekunde zwang sie sich, es wieder zu versuchen. Sie streckte die Finger über die Knochen hinaus in
    die Leere.
    Da kam eine Hand und packte ihre, sie war kalt.
    Und Katie schrie.
    Die Grabkammer wartete im Tageslicht auf ihn. Er musste allen Mut zusammennehmen, um unter den Bäumen hervorzukommen und sich neben die bemoosten Steine am Eingang zu stellen.
    Niemand war in der Nähe. Es sei denn, sie wären hier, dachte er, und würden ihn aus ihrem Versteck in den hohen Ästen beobachten. Langsam ging Alex vorwärts.
    Im Wald war es still und schwül. Kein Vogel sang. Der Wind hatte sich gelegt; nichts rührte sich zwischen den dunklen grünen Farnen der Lichtung, den steifen Federn der angenagelten Vogelleichen.
    Er kauerte sich nieder und schaute in das Hügelgrab. In allen schlimmen Zeiten, im Krankenhaus, in den Albträumen und Panikanfällen und Schüttelfrösten, von denen er geglaubt hatte, sie würden ihn in den Irrsinn treiben, hatte er sich diesen Ort nie vergegenwärtigen, nie an ihn denken können. Das war der Eingang zu all seinen Träumen und ehrgeizigen Wünschen gewesen, ein Ort ganz wie dieser, der in die gleiche Dunkelheit führte, die gleiche Auslieferung seiner Existenz.
    »Katie?«, flüsterte er verzweifelt.
    Eine Krähe flog krächzend aus dem Wald. Er beugte sich unter den Eingangssturz und stellte sich das Gewicht des Steins über sich vor, den festgestampften Kalk und die Hirschgeweihe der Erbauer.»Bist du da?«
    Er hatte keine Wahl. Es erforderte seine ganze Kraft, aber er ging geduckt weiter, spürte an den Händen die kalten Wände des Gangs zwischen den Steinen, die feucht vom Regenwasser glitzerten, ging immer tiefer in die Finsternis, bis er das Gefühl hatte, dass sie ihn ganz schluckte, bis er angestrengt und stoßweise atmete.
    Da waren seitliche Kammern; er tastete in jede hinein und spürte nur die Schwere und Kälte des
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