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Die Macht der Steine

Die Macht der Steine

Titel: Die Macht der Steine
Autoren: Greg Bear
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möglich für Thinner. Zäh wie Led’r, Schlangenhaut, stochern un’ ich weggestoßen, nit durchkommen.«
    »Thinner, du bist ein Schauspieler.« Jeshua streckte die Hand aus und zog ihn aus dem Wasser. »Jetzt hör mit dem Unsinn auf und rede in richtigem Englisch mit mir. Du kannst es nämlich – raus!«
    »Nein!« protestierte der Junge.
    »Warum unterschlägst du dann alle ›th’s‹, außer bei deinem Namen, und änderst in jedem Satz die Wortstellung? Ich bin doch nicht blöd. Ich beherrsche vier Sprachen und kenne ihre Grammatik. Du bist ein Komödiant.«
    »Wenn Thinner lügen, Füße abfaulen sollen! Bin geboren dat komische Dialekt zu sprech, un’ ich sprech halt anners als du! Dat bin ich, kein Komödiant! Laß los!« Thinner trat Jeshua ans Schienbein, wobei er sich aber bloß den Zeh verstauchte. Er schrie auf, und Jeshua schleuderte ihn wie eine Feder zurück. Dann drehte er sich um, sammelte seine Kleider auf und kletterte die Uferböschung hinauf.
    »Niemand hat Thinner jemals so behandelt!« heulte der Junge.
    »Du lügst«, unterstellte Jeshua.
    »Nein! Stop.« Thinner stand im Fluß und hielt die Hände hoch. »Du hast recht.«
    »Ich weiß, daß ich recht habe.«
    »Aber nicht in jeder Hinsicht. Ich bin aus Winston, und es hat durchaus seinen Grund, daß ich wie ein Stadt-Jäger spreche. Und ich drücke mich präzise aus, weißt du.«
    Jeshua runzelte die Stirn. Der Junge wirkte jetzt nicht mehr wie ein Junge. »Warum wolltest du mich zum Narren halten oder hast es wenigstens versucht?«
    »Ich bin ein selbständiger Späher. Ich versuche, die Jäger im Auge zu behalten. Sie haben Bauernhöfe in der Umgebung von Winston überfallen. Ein paar von ihnen hätten mich fast erledigt, und ich versuchte sie davon zu überzeugen, daß ich Mitglied eines Clans bin. Als sie dann verschüttet wurden, hielt ich dich auch für einen von ihnen, und nachdem ich auf diese Art mit dir gesprochen habe – nun, mein Instinkt rät mir, mich in unklaren Situationen bedeckt zu halten.«
    »Kein Winstoner hat eine solche Tätowierung wie du.«
    »Das ist auch nur die halbe Wahrheit. Ich habe tatsächlich einen Weg in die Stadt gefunden, und sie hat mich rausgeworfen.«
    »Hast du noch immer Bedenken, mich dorthin zu führen?«
    Thinner seufzte und krabbelte aus dem Fluß. »Es liegt nicht auf meinem Weg. Ich will zurück nach Winston.«
    Jeshua beobachtete ihn mißtrauisch, während er sich abtrocknete. »Du wunderst dich nicht darüber, daß du überhaupt Zugang zu einer Stadt erhalten hast?«
    »Nein. Ich habe einen Trick angewandt.«
    »Bessere Männer als du oder ich haben es schon seit Jahrhunderten versucht und mußten schließlich aufgeben. Jetzt hast du Erfolg gehabt und fühlst dich nicht als etwas Besonderes?«
    Thinner zog seine zerlumpten Sachen an. »Warum willst du denn dorthin gehen?«
    »Ich habe meine Gründe.«
    »Hast du in Ibreem ein Verbrechen begangen?«
    Jeshua schüttelte den Kopf. »Ich bin krank«, erklärte er. »Nichts Ansteckendes. Aber mir wurde gesagt, eine Stadt könne mir helfen, falls ich einen Weg hinein fände.«
    »Ich bin solchen wie dir schon begegnet«, sagte Thinner. »Aber sie haben es nie geschafft. Vor ein paar Jahren hat Winston eine ganze Prozession von Kranken und Verwundeten zu einer Stadt geschickt. Hat ihre Stacheln aufgerichtet wie ein Igel. Keine Gnade zu erwarten, kannst du mir glauben.«
    »Aber du weißt jetzt, wie es geht.«
    »Okay«, sagte Thinner. »Wir können zurückgehen. Sie befindet sich auf der anderen Seite von Arat. Du hast mich jetzt direkt neugierig gemacht. Und außerdem glaube ich, daß ich dich mag. Du siehst zwar genauso tumb aus wie ein Kriechtier, aber du bist intelligent. Dynamisch. Und zudem hast du noch immer diesen Knüppel. Bist du verzweifelt genug, um zu töten?«
    Jeshua dachte einen Moment darüber nach und schüttelte dann den Kopf.
    »Es ist schon fast dunkel«, stellte Thinner fest. »Laß uns hier übernachten und morgen früh aufbrechen.«
    In dem entfernten Tal inmitten von Arat lag die warme Stadt von Mesa Canaan – wobei die Bezeichnung ›Arat City‹ jetzt vielleicht passender gewesen wäre – wie ein Diadem im Glanz der untergehenden Sonne. Jeshua bereitete sich eine Lagerstatt aus Schilf und beobachtete Thinner, der eine Kuhle im Boden aushob und sich sein eigenes Nest baute. Jeshua hatte in dieser Nacht einen leichten Schlaf und erwachte schon in der Morgendämmerung. Als er die Augen aufschlug, erspähte er auf der
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