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Die Macht der Steine

Die Macht der Steine

Titel: Die Macht der Steine
Autoren: Greg Bear
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neunzehn. Er sprach einen englischen Dialekt. Es war zwar nicht das Idiom, das Jeshua während seines Aufenthaltes in der Expolis Winston erlernt hatte, aber er konnte einiges davon verstehen. Er vermutete, daß es sich um Jäger-Englisch handelte, aber es gab eigentlich gar keine Jäger in der Expolis Ibreem. Sie mußten der Stadt gefolgt sein…
    »Ich bin auf der Flucht, wie du«, sagte Jeshua im Winston-Dialekt.
    »Dat ich, hast mich einsinken lassen, hast du. Vier verschütt, liegen se dachten ich rede. Wer spricht?«
    »Was?«
    »Wer Name? Du.«
    »Jeshua«, sagte er.
    »Jeshuu-a. Iberhim.«
    »Ja, Expolis Ibreem.«
    »Nit weit dat is. Bleib wo bist. Zurückbringen dich.«
    »Nein, ich habe mich nicht verirrt. Ich bin auf der Flucht.«
    »Nix guter Platz. Mück stech böse, Mück stech dich mehr als sie stech mich.«
    Jeshua wischte mit seinen großen Händen langsam den Schlamm von der Hose. Dreck und Steinchen kullerten den Hügel hinunter, unter dem die vier begraben waren.
    »Langsam«, artikulierte der Junge. »Langsam, nein? Krank im Kopf?« Der Junge trat vor. »Dat isset, langsam, du.«
    »Nein, nur müde«, erwiderte Jeshua. »Wie kommen wir hier wieder raus?«
    »Dat, da und da. Siehst?«
    »Kann nichts sehen«, meinte Jeshua. »Nicht sehr gut.«
    Der Junge trat weiter vor und legte eine kalte, feuchte Hand auf seinen Unterarm. »Groß, du. Quetsch, vielleicht gespannt.« Die Hand drückte und tastete. Dann zog sich der Schatten zurück. Jeshuas Augen akkomodierten sich, und er erkannte, wie schmächtig der Junge war.
    »Wie ist dein Name?« fragte er.
    »Is egal. Komm mit mir jetzt.«
    Der Junge führte ihn zu dem Schutthügel und stocherte in der pechschwarzen Finsternis herum, um ihnen einen Weg zu suchen. »Gut. Hier lang.« Jeshua kletterte die Halde hinauf und zwängte sich durch das darüber befindliche Loch, wobei er mit dem Rücken an der Keramikdecke entlangschabte. Die andere Seite des Tunnels lag im Dunklen. Der Junge murmelte Flüche. »Tunnel ganz«, sagte er. »Leichter Marsch nun.«
    Die vor ihnen liegenden Tümpel wurden von dem nach oben gerichteten Glühen von Insektenlarven illuminiert. Manche waren einen Fuß lang und Einzelwesen; andere waren kleiner und gruppierten sich in Dunstkreisen aus trübem Licht. Die ganze Szenerie wurde von leisen, saugenden Geräuschen und dem Klappern von Fühlern, Klauen und Beinen untermalt. Jeshua bekam eine Gänsehaut, und ihm schauderte vor Ekel.
    »Schsch«, machte der Junge. »Skyling hier, raus geh, durch Geräusch.«
    Jeshua verstand zwar kein Wort von dieser Erklärung, schritt aber jetzt energischer aus. Dreck und Kacheln fielen in das Wasser, und ein chitinöser Klagegesang wurde angestimmt.
    »Müssen durch hier«, erläuterte der Junge, ergriff Jeshuas Hand und führte sie an ein Metallschott. »Aufmach, dann geh. Verstun’?«
    Das Schott fuhr mit einem ausgeleierten Quietschen auf, und blendende Helligkeit flutete in den Tunnel. Die Wesen im Hintergrund flüchteten in den Schatten. Jeshua und der Junge traten aus dem Tunnel in ein eingestürztes Vorzimmer, in welches das letzte Licht des Tages fiel. Die Vegetation hatte von der feuchten Senke Besitz ergriffen und große Rohrschieber und elektrische Schaltschränke eingehüllt. Als der Junge das Schott schloß, kratzte Jeshua an einem Metallwürfel herum und entfernte einen mehrschichtigen Moosbatzen. Vier Ziffern waren darunter eingraviert – ›2278‹.
    »Nit anfassen«, sagte der Junge. Er hatte große graue Augen und ein schmales, bleiches Gesicht. Ein Grinsen erschien zwischen leichenblassen Wangen. Er war drahtig und sehnig, hatte breite Kniegelenke und Ellbogen und nur wenig Fleisch auf den Rippen. Sein Haar hatte eine rost-orangefarbene Tönung und hing ihm in Strähnen in die Stirn und über die Ohren. Der mit einer zerrissenen Weste bekleidete Oberkörper war tätowiert. Der Junge rieb mit der Hand über diese Tätowierung, bemerkte Jeshuas Interesse und hinterließ eine Lehmspur auf der Haut.
    »Mein Brand«, sagte der Junge. Das ›Brandzeichen‹ war ein leuchtender schwarz-orangefarbener Kreis mit einem Rechteck in der Mitte, das durch Diagonalen unterteilt war. Die solcherart entstandenen Dreiecke liefen mit lebhaftem Schwung in Punkten aus. »Dat hier gemacht, lange her, von Mandala.«
    »Was ist das?«
    »Die Richtung lauf ich, dir fallen skyling auf Kopf, wollten se nit hören wenn ich sag, sag dat ich, dat de Polis, und durchgehen hoch rein.« Er lachte. »Sie
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