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Die Macht der Steine

Die Macht der Steine

Titel: Die Macht der Steine
Autoren: Greg Bear
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Brust ein kleines Insekt, das sich mit fingerlangen Fühlern vorwärtstastete. Er schnickte es fort und räusperte sich.
    Thinner schraubte sich aus seinem Nest, rieb sich die Augen und stand auf.
    »Ich muß mich wundern«, sagte er. »Du hast mir ja gar nicht die Kehle durchgeschnitten.«
    »Hätte mir auch keinen Vorteil verschafft.«
    »Eine Arbeit wie diese läßt einen Mann mißtrauisch werden.«
    Jeshua lief wieder zum Fluß und machte sich frisch, wobei er mit vollen Händen Wasser schöpfte und das kühle Naß über Gesicht und Rücken rinnen ließ. Der Druck in der Leistengegend war an diesem Morgen nicht so heftig wie sonst, ließ ihn aber dennoch mit den Zähnen knirschen. Ihm war danach, sich stöhnend im Schilf umherzurollen und die Erde aufzuwühlen, aber das hätte ihm auch nicht weitergeholfen. Es war nur der Impuls, der existierte.
    Sie einigten sich darauf, welchen Paß sie durch das Arat-Gebirge nehmen würden und brachen auf.
    Jeshua hatte sein Leben überwiegend in Sichtweite der Dörfer der Expolis Ebreem verbracht, und daher wuchs seine Nervosität mit zunehmender Entfernung. Sie erklommen den Hang, wobei sich Thinners Feststellung bezüglich seiner robusten Sohlen bestätigte. Barfuß bewältigte er scharfkantiges Geröll aller Art, ohne daß er einen Schmerzenslaut geäußert hätte.
    Auf dem Kamm einer Anhöhe drehte Jeshua sich um und überflog die unter ihm liegende schilfbestandene Ebene und den Dschungel. Er verengte die Augen zu schmalen Schlitzen, beschattete sie mit der Hand und konnte so die größeren Ansammlungen von Hütten zweier Dörfer und den Josua-Tempel auf dem Berg Miriam ausmachen. Alles andere blieb verborgen.
    Nach zwei Tagen hatten sie das Arat-Gebirge überquert und eine wellige Hügellandschaft erreicht. Sie marschierten durch Felder mit wildem Hafer. »Diese Gegend wurde früher Agripolis genannt«, erläuterte Thinner. »Wenn man hier nur tief genug gräbt, stößt man auf Bewässerungssysteme, automatische Düngemaschinen, Erntemaschinen, Getreidespeicher – das ganze System. Jetzt aber ist es unbrauchbar. Seit neunhundert Jahren hat es keinem Menschen mehr Zutritt zu diesen Feldern gewährt. Irgendwann hat sich die Anlage dann desintegriert, und die mobilen Komponenten haben sich davongemacht. Die meisten sind jedoch gestorben.«
    Jeshuas Kenntnisse der Geschichte der Städte an der Peripherie von Arat waren nur spärlich, und er berichtete Thinner von dem Komplex, der unter der Bezeichnung Tripolis bekannt gewesen war. Eine Konstellation von drei Städten hatte sich auf einer Seite von Arat befunden, ungefähr zwanzig Meilen in nördlicher Richtung von ihrer jetzigen Position entfernt. Nach dem Exodus hatte sich eine demontiert und war gestorben. Die zweite hatte sich erfolgreich in Bewegung gesetzt und die Gegend verlassen. Die dritte war beim Versuch, den Arat-Gebirgszug zu überqueren, gescheitert. Die Hauptmasse ihrer Trümmer befand sich als chaotischer, stummer Klumpen nicht weit von ihrem Standort.
    In der Ebene von Agripolis stießen sie auf verstreute Fragmente dieser Stadt. Auf ihrem Marsch identifizierten sie Wände und Stützpfeiler, die solidesten, die von den größeren Gliedmaßen der Stadt übriggeblieben waren und die noch immer auf verdorrten Stelzen ruhten. Manche hatten eine Länge von fünfzig bis sechzig Yards bei einem Durchmesser von zwanzig Yards und liefen in organischen Räder-Konstrukten aus. Ihre Metallteile waren stark korrodiert. Die organischen Komponenten waren zerfallen, mit Ausnahme vereinzelter Silikatmembranen oder Innenskelette aus Kolloiden.
    »Sie sind noch nicht alle tot«, sagte Thinner. »Ich habe mich hier früher schon umgeschaut. Einige haben mir den Weg etwas erschwert.«
    Im grellen Licht der Nachmittagssonne versteckten sie sich vor einer auf Rädern laufenden Einheit, die wie ein großer, transparenter Panzer wirkte. »Das Ding stammt aus dem Zentrum einer Stadt – ein Räumer oder ein Lader«, erklärte Thinner. »Mit der Psyche eines verwilderten Stadt-Teils kenne ich mich nicht aus, und ich werde es auf keinen Fall reizen.«
    Als der lebende Panzer an ihnen vorbeigerollt war, setzten sie ihre Wanderung fort. Sie stießen auf weniger bedrohliche, scheuere Kreaturen, von denen sie sich nicht aufhalten ließen. Jeshua konnte nur bei den wenigsten dieser Einheiten auf ihre Funktion in einer alten Stadt schließen. Bei den meisten handelte es sich um skurrile Kreaturen, die einem Traum entsprungen zu sein
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