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Die Logik des Verruecktseins

Titel: Die Logik des Verruecktseins
Autoren: Markus Preiter
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sich ziehen. Darauf würde man gerne verzichten. Warum mutet uns die Evolution eigentlich Emotionen zu? Warum sind wir nicht einfach nur im Weltverständnis immer klüger geworden? Das sollte doch genügen, der Welt habhaft zu werden und sie unseren Bedürfnissen nach zuzuschneiden.
    Warum evolvierten sich auch unsere emotionalen Kapazitäten zu einem schwindelerregend hohen Turm, der in uns viel zu oft gewaltig
zu schwanken beginnt und noch viel höher ist als bei unseren Primatenvettern? Wir wollen zu Beginn unserer Reise versuchen, hierauf eine Antwort zu finden. Dies ist notwendig, weil alle psychiatrischen Störungen 3 letztlich Seinskrisen sind. Und alle Seinskrisen sind Sinnkrisen. Das Sein des Menschen gelingt nämlich nicht mehr in allen seinen Entfaltungsmöglichkeiten, wenn wir in einer schweren seelischen Krise sind. Wir verlieren vielmehr Bewertungs- und Handlungsoptionen in solchen Krisenzeiten und bleiben eingeklemmt und gefangen in ganz bestimmten Aktionsengpässen. Damit wackeln aber nicht nur die Wände des Seins um uns herum. Auch der Sinn, mit dem wir diese »Wände« zusammenhalten, beginnt zu bröckeln und bricht manchmal schließlich ganz zusammen. Am deutlichsten ist dies bei schweren depressiven Erkrankungen, in deren Verlauf lebensmüde Gedanken auftauchen können und sogar unter Umständen das eigene, schließlich unerträglich leer und paradoxerweise unerträglich belastbar gewordene Leben durch Suizid beendet wird. Die unerträgliche Schwere des Nichts erdrückt dabei erst das Sein und dann den Sinn des depressiv gewordenen Menschen.

Die evolutionäre Bedeutung von Emotionen: Zu Besuch bei Mr. Spock
    Die Realisierung einer Sinnkrise geschieht dabei im gesunden Erleben wie in den psychopathologischen Phänomenen durch Störungen der emotionalen Kapazitäten. Keine psychiatrische Störung ist frei von Auffälligkeiten im emotionalen Bereich. Die zentrale Funktion der Emotionen in ihrer evolutionären Bedeutung zu ergründen heißt, eine der zentralen Säulen des menschlichen Seins in ihrer Tragefunktion zu verstehen und sich den Voraussetzungen für psychopathologische Modulationen in einem großen Verständnisschritt zu nähern.
    1966 wurde das einzige menschartige Individuum geboren, das ganz frei von der Gefahr ist, als Reaktion auf äußere Ereignisse psychisch aus dem Gleichgewicht zu geraten. Alles, was uns anderen das Leben schwer macht, ist ihm in seiner unerschütterlichen Souveränität
fremd: Er ist weder von traurigen Gefühlen beeinflusst, die einem fast die Brust erdrücken, noch schaudert ihn etwas oder ließe sein Herz vor Angst bis zum Halse hochschlagen. Nie ist er nervös, immer bleibt er gelassen und behält den Überblick, sodass seine Entscheidungen stets messerscharf sind. Er hat gute Argumente, er hat einen beneidenswerten Intellekt. Er hat viele Eigenschaften, die eine Person in führender Position im Umgang mit Menschen benötigt. Aber eines hat er nicht. Er kennt keine Gefühle.
    Bei einer Raumschiffcrew von 400 Besatzungsmitgliedern ist der Erste Offizier der 1966 gestarteten Science-Fiction-Fernsehserie »Raumschiff Enterprise«, Mr. Spock, der einzige Menschenartige, der nicht von der Erde stammt. Präziser gesagt: Er hat zwar eine irdische Mutter, sein Vater jedoch stammt vom Planeten Vulkan. Auf dem Vulkan werden Ereignisse bekanntlich durch die menschenähnlichen Bewohner nicht emotional etikettiert, Vulkanier erleben Kausalketten allenfalls als »faszinierend«. Ganz ungetrübt von emotionaler Einfärbung ihrer Entscheidungen, lassen sich Vulkanier in der Bewertung von Zusammenhängen alleine von der nüchternen Logik leiten. Dies bringt einen der sehr emotional und humanistisch motivierten Protagonisten, den Schiffsarzt des Raumschiffs Enterprise, Dr. McCoy, regelmäßig zur Weißglut, kann er doch die Gefühlskälte Spocks, seine mangelnde Anteilnahme und »Herzlosigkeit« nicht nachvollziehen. McCoy vermutet, dass sich Spock verstellt und seine menschliche irdische Hälfte unterdrückt, was Spock stets abstreitet. Wenn sich McCoy in einer der Serienfolgen nicht gerade wieder einmal über ein unbekanntes Crewmitglied, welches kurz zuvor für eine gefährliche Aufgabe ausgewählt wurde, beugt und den Satz spricht: »Jim, er ist tot«, streitet er mit irdisch-menschlicher Leidenschaft vehement mit Spock über das Für und Wider von Emotionen. Und Dr. McCoy bekommt im späteren Verlauf der Fernsehserie Recht. Um Spock nicht langweilig werden zu lassen,
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