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Die Loge der Nacht

Die Loge der Nacht

Titel: Die Loge der Nacht
Autoren: Vampira VA
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»Und?«
    Kaspar Henninger sah mit hartem und zugleich doch wässrigem Blick auf das Sensenblatt.
    »Der Hund hat bezahlt für das, was er angerichtet hat. Auch wenn's die Meinen nicht mehr lebendig macht.«
    Ein Ruck durchlief Henningers eher hagere Gestalt, der sich doch wackerer geschlagen hatte als der kraftstrotzende Schmied. Womöglich hatte ihm der Schmerz über den Verlust der Lieben Kräfte verliehen, die über jedes normale Maß hinausgingen.
    »Mußten denn der Krieg und seine Hunde auch zu uns kommen?« stöhnte Balthasar Auer.
    »Sie kommen übers ganze Land«, meinte Henninger. »Lassen keinen aus. Wir haben wenigstens unser Leben noch behalten dürfen. Vielleicht hilft's uns, wenn wir's von dieser Warte aus betrachten.«
    Aber sein Blick verriet, daß ihm die eigenen schalen Worte keinen Trost zu spenden vermochten.
    »Jetzt wollen wir erst einmal schauen, daß sich einer um dich kümmert«, sagte er dann und deutete vage auf den blutigen Stumpf des Freundes. Er half Auer beim Aufstehen, stützte ihn und führte ihn durch die Schmiede zur Tür.
    »Soviel Tod und Leid an einem einzigen Tag«, stöhnte Balthasar Auer.
    »Wenn ich's verhindern könnte - nie mehr würde ich zulassen, daß so etwas geschieht.«
    Kaspar Henninger schob den gekrümmt gehenden Schmied durch die Tür in die Stube seines Hauses hinüber.
    »Meine Seele würde ich dafür geben, daß unsere Leut' fortan verschont blieben vom Krieg«, erwiderte er. »Wenn's nur was nützen täte.«
    »Darüber läßt sich reden.«
    Wie vor eine Wand gelaufen, blieben Auer und Henninger stehen, erschrocken und atemlos in den finstersten Winkel der Stube starrend - wo auf einmal Bewegung entstand, als wäre ein Teil der Düsternis dort zum Leben erwacht!
    Eine Gestalt trat hervor, als hätte sie die ganze Zeit über schon in den Schatten des Ecks gelauert.
    Ein Mann, der dem Aussehen nach weder in diese schlichte Stube noch in diese Zeit des Krieges paßte. Seine Kleidung war nobel, seine Züge und sein Auftreten verhießen vornehme Herkunft.
    Und die schwungvolle Art, wie er einen Schemel heranzog und sich darauf niederließ, war nur jovial zu nennen und ließ keinen Zweifel daran, daß ihn der Krieg und das Elend draußen nicht rührten.
    Wie aus der Luft herbeigezaubert hielt er plötzlich ein Solei in der Hand und biß herzhaft hinein.
    »Kommt, setzt euch«, forderte er ganz und gar unfein kauend die beiden noch immer stummen und starrenden Männer auf. »Im Sitzen redet es sich besser.«
    Grinsend schob der Fremde sich die verbliebene Hälfte des Eies in den Mund. Gierig wie ein Tier.
    *
    Dreizehn Jahre später
    Heidelberg, nahe der Jacobspforte
    »Ist schon seltsam, oder? Manchmal kommt es mir vor, als wäre unsere Stadt vom Rest der Welt vergessen worden.«
    »Hm?«
    Tobias schrak auf und blinzelte verwirrt, als Kristines leise Stimme die Stille durchdrang. Seine Gedanken waren noch ganz und gar eingesponnen gewesen in der Erinnerung an die vergangene Stunde. Das Feuer in seinen Lenden war zwar zur Glut herabgesunken, aber es brannte fast noch wohliger, und jeder Gedanke an das Zusammensein mit der schönen Kristine schürte es neu.
    Lange konnte es nicht mehr dauern, bis neue Flammen daraus schlugen - und ein weiteres Mal gelöscht werden wollten.
    Seit ein paar Minuten hatten sie nun schweigend auf den Strohsäcken in Tobias' Schlafkammer im Dachstuhl des Wirtshauses »Roter Widder« gelegen, und der Stille, die zur frühmorgendlichen Stunde in den kleinen Raum gezogen war, hatte etwas Feierliches innege-wohnt.
    Um so mehr bedauerte der Bruder Leichtfuß es, daß das Mädchen sie mit ihren Worten vertrieben hatte. Denn auch wenn Kristine nicht die Erste war, mit der er das Lager geteilt hatte, so bedeutete ihm doch jeder einzelne Akt mit ihr etwas Besonderes - Ritualen gleich, die zu zelebrieren waren und die mit dem Erlangen höchster Lust noch nicht endeten.
    »Dieses tollwütige Morden allüberall«, seufzte die Tochter des Apothekers, um deren Gunst Tobias ungleich länger hatte freien müssen, als er es gewohnt war.
    Kristine, ebenso temperamentvoll wie widerspenstig, hatte ihn eine kleine Ewigkeit zappeln lassen, so daß er schon meinte, sie würde ihn wohl nie erhören. Dies hätte ihn um so härter getroffen, da er noch keinen Korb von einer Jungfer seines Herzens erhalten hatte.
    Zwar eilte ihm der Ruf eines Schwerenöter weit voraus, doch geschadet hatte ihm dies bis zum heutigen Tage noch nicht. Die Weibsleut', ob jung oder alt,
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