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Die Loge der Nacht

Die Loge der Nacht

Titel: Die Loge der Nacht
Autoren: Vampira VA
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Unbehagen wurzelte so tief, daß sie sich zitternd in die Hocke hinabließ und das Auge gegen das Schlüsselloch preßte.
    Dahinter war es stockfinster. Keine Kerze, keine Leuchte anderer Art verströmte einen noch so vagen Schimmer .
    Als sich die Laute noch mehrmals wiederholten, lernte die von zunehmendem Grausen erfaßte Kristine zwei Tonlagen zu unterscheiden.
    Beide Eltern jammerten dort in der Dunkelheit!
    Gleich nach dieser Erkenntnis ging Kristine vehement gegen ihre unerklärliche Furcht an.
    »Vater! Mutter!« rief sie und klopfte mit dem Knöchel des gekrümmten Zeigefingers gegen das Türholz.
    Sie erhielt keine Antwort. Mit feuchten Händen verschaffte sie sich Einlaß in die Stube, in der es wenig mehr als ein breites Bett und einen wuchtigen Schrank aus Palisander gab. Ihre Eltern waren wohlhabend, aber geizig. So wie sie wollte Kristine sich das Leben später einmal nicht am Munde absparen, und im Grunde schloß diese Einstellung an sich schon aus, daß Tobias, dieser Habenichts, sie in die Zukunft begleiten würde .
    . aber daran dachte Kristine nicht, wenn sie mit ihm das Lager teilte.
    Sonderbar genug. Aber nichts im Vergleich zu dem, womit sie in der Schlafstube ihrer Eltern konfrontiert wurde, kaum daß sie eine Lampe gefunden und deren Docht mit einem Schwefelholz entzündet hatte!
    »Allmächtiger Herrgott im Himmel ...«, rann es über ihre bleichgewordenen Lippen. Ihr wurde schlecht und schwarz vor Augen, als hätte fauliger Brodem aus dem Innern der Erde die Flamme, die den Raum zwischen den vier Wänden erhellte, wieder ausgeblasen.
    Aber diese Schwärze war kaltes Grauen und waberte in Kristine selbst!
    Eine kleine Ewigkeit stand sie stocksteif da, außerstande, auch nur die Augen im Kopf zu bewegen. Dann, als sie sich wieder dazu fähig fühlte, fuhr sie auf dem Absatz ihrer Schuhe herum und wollte diesem Ort des alptraumhaften Terrors entfliehen.
    In diesem Moment ließ sich etwas von der Decke zu ihr herab.
    Es biß sofort zu.
    Und kleidete die junge Frau ganz neu und kunstvoll ein .
    *
    Mit einem modrigen Geschmack im Mund wurde Tobias lange nach dem ersten Hahnenschrei wach. Die Tränen, der er nach Kristines Weggang nicht hatte Herr werden können, waren längst getrocknet. Lärm aus der Wirtschaft hatte ihn aufgeweckt, und wenn es dort so laut herging, mußte es schon beinahe Mittag sein!
    Verwirrt richtete sich Tobias von seinem Strohbett auf und blinzelte gegen das Sonnenlicht, das durch ein kleines Fenster im Dachstuhl zu ihm hereinschien.
    Einen Moment danach verweilte sein Blick an der Kohlezeich-nung, die an einem der Balken befestigt war. Er hatte sie für ein unverschämtes Geld bei einem Markttag erworben. Sie zeigte das Porträt eines Mannes, den er vor sich selbst gern als Vorbild ausgab.
    Einen Mann, von dem er viel Fesselndes gehört hatte, und mochte auch ein gut Teil davon frei erfunden sein, so reichte der verbleibende Rest an Wahrheit doch aus, um ihn weit über alle Männer zu stellen, die Tobias persönlich oder auch nur vom Hörensagen kannte.
    Friedrich Spee von Langenfeld war am 7. August dieses Jahres in Trier infolge einer Ansteckung gestorben, die er sich bei der Pflege pestkranker Soldaten zugezogen hatte - vor gerade einmal zwei Monaten also. Die Kunde davon war erst Ende September bis nach Heidelberg getragen worden, und in den ersten der folgenden Tage hatte Tobias es gar nicht glauben mögen.
    Spee tot? Ein Mann, der nicht Tod noch Teufel gefürchtet und sich stets für die Sache der Armen, Denunzierten und Ungebildeten eingesetzt hatte .?
    Inzwischen mußte er es wohl glauben, daß der nicht einmal ganz 44 Jahr alt gewordene Hexenanwalt seinen Abschied von dieser kriegs- und pestverseuchten Welt genommen hatte.
    Was für ein Verlust für die immense Zahl der völlig zu Unrecht Verfolgten!
    Tobias hätte gern Spees Erbe angetreten, aber dafür war er wohl zur Unzeit geboren worden. Um studieren zu können und sich auf diese Weise das nötige Wissen anzueignen, um Obrigkeiten die Stirn zu bieten, hätte er seine Heimatstadt verlassen müssen - und dazu hatte er sich noch nicht durchringen können. Irgendwann würde er es aber müssen, sonst konnte er seine Träume gleich in den Schornstein schreiben, denn der hiesige Universitätsbetrieb ruhte schon seit Beginn des Krieges. Ob und wann er seine Pforten wieder öffnen würde, stand in den Sternen. Ein Ende der Gemetzel war jedenfalls noch nirgends abzusehen, auch wenn sich manche von dem Frieden, den der
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