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Der Wunschtraummann

Der Wunschtraummann

Titel: Der Wunschtraummann
Autoren: Alexandra Potter
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Erstes Kapitel
    Was machst du gerade?
    Ich sitze am Schreibtisch, habe das Kinn in die Hand gestützt und starre verdrießlich auf den Bildschirm.
    Facebook starrt zurück.
    Korrigiere : Verhöhnt mich mit dem fabelhaften Liebesleben der anderen.
    Ich scrolle die Seite nach unten und lese die Statusmeldungen meiner Freunde:
    Chrissie Hattersley liebt die neue Gucci-Handtasche, die sie von ihrem Freund zu Weihnachten bekommen hat .
    Jenny Hamilton-Proctor freut sich auf Silvester mit ihrem perfekten Ehemann und Baby. Ich bin wirklich ein Glückskind .
    Aneela Patel < 3 Imran Butt
    Melody Dabrowski Andy hat mir endlich die Frage aller Fragen gestellt, und ich habe Ja gesagt!
    Sara Jenkins Da ich nun endgültig nicht mehr in meine Jeans passe, wird es Zeit, die Katze aus dem Sack zu lassen: John und ich sind schwanger!!!!
    Emily Klein Nur noch zweimal schlafen bis zu unseren Flitterwochen auf Bali. ICH KANN ES KAUM ERWARTEN!!
    Emily fährt in die Flitterwochen? Ich wusste gar nicht, dass sie geheiratet hat!
    Eine E-Mail, die in meinen Posteingang flattert, lenkt mich ab. Sie kommt von meinem Chef, Sir Richard, um mich daran zu erinnern, dass ich mich um sein Visum für seine anstehende Indienreise im neuen Jahr kümmere.
    Mist. Das hatte ich völlig vergessen.
    »Wird prompt erledigt«, tippe ich kess und klicke auf Senden .
    Es ist drei Uhr nachmittags an diesem Silvestertag, und während die meisten anderen Leute gemütlich zu Hause auf dem Sofa sitzen, sich irgendwelche Wiederholungen im Fernsehen anschauen und die übrig gebliebenen Weihnachtsplätzchen verputzen oder aber tausende Meilen entfernt am Strand von Goa liegen und sich die Wintersonne auf den Bauch scheinen lassen, habe ich mich in einem Bürogebäude in Südwestlondon verkrochen.
    Das Büro gehört Blackstock & White, Getränkefabrikanten, bekannt für ihren Whisky und andere Marken-Spirituosen, und hier arbeite ich als persönliche Assistentin von Sir Richard Blackstock. PA . Das klingt ziemlich hipp, so als müsste ich aussehen wie eine von Mad Men und immer bienenfleißig und furchtbar tüchtig sein, aber tatsächlich bin ich nicht unbedingt die weltbeste Assistentin. Um ganz ehrlich zu sein, bin ich sogar ziemlich mies. Was allerdings nicht allein meine Schuld ist. Bis vor etwa einem Jahr habe ich hier als Aushilfe gearbeitet, dann ging Sir Richards bisherige Assistentin in den Mutterschaftsurlaub, und mein Chef bot mir ihre Stelle an.
    Von Anfang an habe ich ihm gesagt, ich bin nicht zur Assistentin geboren. Keine Ahnung, welche Eigenschaften man als geborene Assistentin braucht, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass man dann nicht mit dem Zwei-Finger-Suchsystem tippt oder bei der »Ablage« einfach alles wahllos in eine Schublade stopft. Und ob es am Ende eines Briefs »hochachtungsvoll« oder »mit freundlichen Grüßen« heißen muss, weiß man auch.
    Doch Sir Richard wischte all meine Bedenken mit seinem leutseligen Lächeln beiseite. Sir Richard ist Mitte fünfzig, hat eine Vorliebe für glänzende Anzüge und eine überkämmte Glatze, mit der er vergebens versucht, eine üppige Haarpracht vorzutäuschen, und er ist der netteste Chef, den ich je hatte. Und darum ist es auch so schade, dass er in einigen Monaten in den Ruhestand geht, sinniere ich, während ich auf einen Post-it-Zettel »Visum« kritzele und ihn dann an meinen Computer klebe, der mittlerweile mit den kleinen Klebebotschaften fast völlig zugekleistert ist.
    Ich starre die rosaroten und gelben Post-it-Zettel an und spüre ein nagendes Unbehagen in der Magengrube. Eigentlich müsste ich mich dringend daranmachen, sie einen nach dem anderen abzuarbeiten, denn sonst wird eines Tages mein Bildschirm dahinter verschwinden.
    Und mit ihm Facebook.
    Mein Blick fällt auf das Fotoalbum einer Freundin mit dem Titel Paradies , und ich blättere gelangweilt in den Bildern: ein Sonnenuntergang … die Ansicht eines Infinity-Pools … die beiden, wie sie sich Henna-Partner-Tattoos aufmalen lassen … er, wie er sie fest umarmt hält und ihr liebevoll tief in die Augen schaut …
    Ein ebenso tiefer Seufzer entringt sich meinen Lippen. Ich war ja eben schon deprimiert, aber jetzt möchte ich mich am liebsten in eine Ecke verkriechen und mir eine Decke über den Kopf ziehen. Verglichen mit den geschenkeüberhäufenden Freunden, perfekten Ehemännern und romantischen Liebesurlauben ist mein eigenes Liebesleben oder vielmehr das völlige Fehlen desselben einfach zum Heulen. Ich meine, ich weiß,
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