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Die Loge der Nacht

Die Loge der Nacht

Titel: Die Loge der Nacht
Autoren: Vampira VA
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stoppte den Flug ihrer Gedanken. Hätte Tobias sie vorhin gefragt, warum sie gerade heute in dieser melancholischen und die Schicksalsmächte hinterfragenden Stimmung war, sie hätte es ihm nicht beantworten können. Zumal sie das Zusammensein mit ihm genossen hatte, sehr sogar.
    Seit sie zum erstenmal das Salz seiner Haut mit ihrer Zunge geschmeckt hatte, wußte sie sich kaum ein sinnlicheres Erlebnis vorzu-stellen als zwei Körper, die miteinander im Gleichklang schwangen.
    Den Blick vom Himmel nehmend, durchschritt sie einen schmalen Gang, der zur Vorderseite des »Roten Widders« führte, und rannte dort angekommen leichtfüßig auf ein anderes Tor in unmittelbarer Nähe zu.
    Die Straße im Bereich des Obertors, das den Ostteil der Stadt begrenzte, lag absolut still. Das Silberlicht des Mondes streute verwunschenes Licht, aber auch tiefe Schatten zwischen die Häuser und den langgestreckten Marktplatz.
    In etwa zwei Stunden würde der Morgen dämmern und dem Sonntag sein helles und feierliche Gewand anziehen. Noch aber ruhten die Glocken im Stuhl der Heiliggeistkirche, um den Schlaf der Bürger nicht zu stören.
    Kristine erreichte das Tür ihres elterlichen Hauses unangefochten. Die Holzläden der Fenster waren geschlossen, die Auslagen der Apotheke nicht zu erkennen.
    Vorsichtig drehte Kristine den Schlüssel im Türschloß, schlüpfte in den dunklen Hauseingang und versperrte das Tor wieder von innen. Dann tastete sie sich durch die Schwärze voran bis zu der Treppe, die ins obere Geschoß führte, wo ihre Schlafkammer lag.
    Im Haus war es ähnlich still wie draußen, und woher die Gänsehaut kam, die ihren Körper kurz zusammenschaudern ließ, wußte Kristine nicht.
    Mitten auf der Treppe blieb sie stehen.
    Vater und Mutter schliefen links des Ganges, der am Ende der Treppe begann, während ihre eigene Stube zusammen mit einer für Gäste rechter Hand lag.
    Manchmal waren Schnarchtöne des Vaters zu hören, wenn sich das Mädchen von seinen nächtlichen Ausflügen wieder heimstahl.
    Heute nicht.
    Bislang war immer alles gut gegangen. Dennoch fürchtete Kristine den Tag, an dem ihre Eltern ihr auf die Schliche kommen würden.
    Insbesondere wenn sie erfuhren, mit wem sie sich in aller Heimlichkeit nicht nur zum Händchenhalten traf .
    An Tobias schieden sich die Geister. Eigentlich mochte ihn ein jeder gern, weil er mit seinem sonnigen Gemüt und den frechen Bemerkungen selbst auf Leichenbittermienen ein Lächeln zaubern konnte - dennoch schien es für die meisten Eltern ein unerträglicher Gedanke, ihn einmal zum Tochtermann zu bekommen!
    Kristine hatte selbst schon mehrfach an der Ernsthaftigkeit seiner Gefühle gezweifelt, doch diese Zweifel schmolzen in seiner Nähe jedes Mal wie Butter in der Sonne.
    Seine Nähe .
    Noch einmal überlief sie ein Schauer, doch diesmal kannte sie die Ursache. Es war die Erinnerung an Tobias' Berührungen. An seine Lippen, die ihre Brustwarzen geneckt hatten, und an sein hochaufgerichtetes Instrument, mit der er ihr die lüsternsten Töne entlockt hatte .!
    Sie überwand ihr Stocken und erklomm die letzten Stufen.
    Oben angekommen, vernahm sie noch immer weder ein Schnarchen noch ein anderes Geräusch, nur den eigenen Atem und das in ihrer Brust pochende Herz.
    Auf Zehenspitzen schlich zu ihrer Stube, deren Tür leise quietschend nachgab. Kristine wollte gerade hineingleiten, als sie es hörte.
    Es kam vom anderen Ende des Ganges und war mit Sicherheit kein gewöhnlich lauter Atemzug, sondern .
    Ein Stöhnen!
    Kristine konnte sich nicht erinnern, ihre Eltern je bei einem ähnlichen Treiben belauscht zu haben, wie sie sich ihm beim Zusammensein mit Tobias hingab. Wenn sie es recht bedachte, waren ihre Eltern für sie asexuelle Wesen, gleichwohl sie - mit Verstand betrachtet - dies natürlich nicht immer gewesen sein konnten.
    Aber dieses Stöhnen weckte auch keinen Moment lang Gedanken an Liebe und Lust.
    Es war pures Leiden!
    Schmerz!
    Kristine erzitterte. Eine Weile war sie zu gar keiner Reaktion fähig. Sie stand nur im Dunkeln und versuchte den Panzer der Furcht zu sprengen, der sich um sie gelegt hatte.
    Erneut klang das Wimmern auf.
    Kam es aus der Mutter Mund oder aus des Vaters Kehle?
    Kristine ballte die Hände zu Fäusten, öffnete sie wieder und begann sich an der Wand zum elterlichen Schlafzimmer entlangzutas-ten.
    Davor stoppte sie.
    Wäre es nur das Gefühl gewesen, daß es Vater oder Mutter heute Nacht nicht gut ging, hätte sie geklopft. Aber es war mehr. Das
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