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Die Loge der Nacht

Die Loge der Nacht

Titel: Die Loge der Nacht
Autoren: Vampira VA
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einfach nichts anderes tun, als wie gebannt durch den Türspalt zu starren und den Mörder seiner Eltern zu beobachten.
    Als die Toten ihre Köpfe zur anderen Seite hingedreht hatten, hielt der Zottelbärtige inne. Wie das steinerne Denkmal eines Soldaten, der seine Klinge putzte, stand er da. Sekundenlang und vielleicht überlegend, ob die Bewegung der Leichen davon herrühren konnte, daß er sich an ihren Kleidern zu schaffen gemacht hatte.
    Dann - und der Junge war sicher, daß eine geradezu niederträchtige und übelwollende Schicksalsmacht ihre Hände im Spiel hatte! -wandte der Soldat den Blick in jene Richtung, in die das tote Schusterpaar gerade noch gestarrt hatte. Die Augen leuchteten in dem schmutzstarrenden Gesicht beinahe flammend hell, schienen zu glühen im Feuer des Wahnsinns, das die Kriegsgreuel über die Jahre in dem Soldaten geschürt haben mußten.
    Der Knabe fühlte sich von diesem unseligen Licht fast körperlich berührt. Als hätte ihn die Hand des Mörders selbst schon gepackt.
    *
    Der Soldat mußte ihn einfach sehen! Allein das Weiß seiner weit geöffneten Augen mußte den Jungen verraten, selbst wenn seine Gestalt im Schatten jenseits des Türspalts nicht zu sehen gewesen wäre. Und überdies - ein Kerl vom Schlage dieses Mordgesellen mußte die Angst eines jeden anderen riechen können, wie es Tieren zu eigen war ...
    Womit er nun letztendlich auf sich aufmerksam gemacht hatte, erfuhr der Junge nie - nur, daß er es irgendwie getan hatte. Ihm blieb aber auch keine Gelegenheit mehr, darüber nachzusinnen.
    Drei Dinge folgten so rasch aufeinander, daß es dem Knaben vorkam, als geschähen sie zugleich.
    Da war zum einen die Stimme des Mörders.
    »Ei, wen haben wir denn da?«
    Zum anderen wuchs der Schatten des anderen wie aus dem Boden steigend vor dem Buben auf und fiel finster drohend über ihn!
    Und schließlich fuhr der Säbel wie ein stählerner Blitz auf ihn herab. Allenfalls zwei oder drei Fingerbreiten vor seinem Gesicht kam die dunkel verkrustete Spitze zur Ruhe.
    Doch schon im nächsten Moment flog die Klinge nach obenhin weg!
    So schien es dem Jungen zumindest, als ihm das grobgezimmerte Türblatt gegen den Kopf schlug, weil der Soldat hart dagegen getreten hatte. Der Bub fiel hintenüber, das Gesicht glühend vor Schmerz. Blutrote Nebel verschleierten ihm die Sicht, und zumindest dafür verspürte er etwas wie vage Dankbarkeit. Jede Sekunde, die er den Mörder seiner Eltern nicht ansehen mußte, schien ihm in seiner panischen Angst wie ein Geschenk des Barmherzigen.
    Angst ...?
    Sich umständlich auf Hände und Knie hochrappelnd, lauschte der Junge in sich, versuchte zu ergründen, was da im einzelnen in ihm fraß und tobte. Natürlich war Angst das alles beherrschende Gefühl. Aber darunter fand er noch etwas anderes. Etwas, das er sich selbst kaum erklären konnte, und doch war es unleugbar da und unverkennbar.
    Zorn. Von nie gekannter Art. Er schien ihm wie das Künden eines nahenden Gewitters - das sich tief in seinem Innersten zusammenbraute. Es brodelte höher, langsam, aber stetig. Und mit jedem Stückchen, das es weiter heraufkochte, schien es an Macht zu gewinnen .
    »Hab' ich dich übersehen, du Laus!«
    Die geifernde Stimme des Soldaten lenkte den Jungen ab von dem, was von irgendwo jenseits seines hämmernden Herzens hervorkam.
    Polternde Schritte ließen den Dielenboden der Schusterwerkstatt dröhnen und erbeben. Das Zittern pflanzte sich durch die Hände und Arme des Jungen fort, doch ehe es seinen ganzen Leib erfaßte, fühlte er sich von neuem herumgewirbelt. Ein schwerer Stiefeltritt erwischte ihn an den Rippen und trieb ihn bis unter die Werkbank des Vaters.
    »Ein neues Paar Stiefel käme mir gerade recht«, hörte er den Soldaten brummen. Dumpfe Laute waren ihm Zeichen dafür, daß der andere in den Regalen wühlte, wo der Vater das geflickte oder neugemachte Schuhwerk aufreihte. Allein das Geräusch und der Gedanke, was es bedeutete, nährten den eigentümlichen Zorn des Knaben weiter, so sehr, daß er Angst und Schmerzen fast übertünchte.
    Sehen konnte der Junge nichts. Wieder hatte er sich den Kopf gestoßen, dunkle Nebel wogten scheint's überall um ihn her, rote Schlieren von seinem eigenen Blut mengten sich dazwischen. Als er sich mit der Hand über das schmerzende Gesicht fuhr, wischte er die klebrige Wärme wenigstens zu einem Teil fort, und sein Blick klärte sich ein wenig.
    Trotzdem war ihm vor Schwindel, als wäre jedes Stück in der Werkstatt
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