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Die linkshändige Frau - Erzählung

Die linkshändige Frau - Erzählung

Titel: Die linkshändige Frau - Erzählung
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Sieeigentlich, daß Sie auf meinem Platz sitzen?«
    Der Schauspieler stand auf, um den Stuhl zu wechseln. Der zeichnende Fahrer sagte streng: »Bleiben Sie, wo Sie sind!«
    Bruno zog dem sich wieder setzenden Schauspieler den Stuhl weg, und er fiel auf den Rücken.
    Der Schauspieler erhob sich langsam; trat dann, eher unentschlossen, nach Bruno.
    Der Fahrer versuchte beide, die am Boden rollten, zu trennen.
    Die Verkäuferin setzte sich die Brille auf.
    Franziska tauschte Blicke mit dem Verleger, der dann erzählte, daß er im Krieg einmal schiffbrüchig gewesen sei.
    Die Frau schaute aus dem Fenster, wo sich die Baumkronen im Garten stark bewegten.
    Der Fahrer kam vom Auto mit einem Verbandskasten zurück.
    Er legte den beiden die Hände ineinander, ging rückwärts, indem er ihnen bedeutete, diese Haltung beizubehalten, und zeichnete. Bruno und der Schauspieler verzogen die Gesichter, und der Fahrer rief: »Nicht lachen!«
    Bruno und der Schauspieler wuschen sich im Badezimmer gemeinsam das Gesicht.
    Die Verkäuferin und Franziska kamen dazu und tupften die beiden mit Handtüchern ab.
    Der Fahrer zeigte seine fertige Zeichnung herum.
    Die Frau und Bruno standen auf der Terrasse. Bruno fragte nach einer Weile: »Weißt du inzwischen, wie es mit dir weitergehen soll?«
    Die Frau antwortete: »Nein. Einen Augenblick lang habe ich einmal mein künftiges Leben ganz klar vor mir gesehen, und da ist mir bis ins Innerste kalt geworden.«
    Sie standen und schauten zu den Garagen hinunter, wo Plastiksäcke schlitterten. Auf der Straße ging die ältere Frau, ohne ihren Hund, im langen Abendkleid unter dem Mantel, und grüßte sofort zu ihnen herauf, mit beiden Armen, als wüßte sie alles; sie grüßten gemeinsam zurück.
    Die Frau fragte, ob er morgen ins Büro müsse.
    Bruno: »Sprich jetzt nicht davon.«
    Sie traten eingehängt durch die Terrassentür in den Wohnraum, und der trinkende Fahrer zeigte auf sie und rief: »Wahrhaftig, es gibt noch Liebe!«
    Die Verkäuferin schlug ihm auf den ausgestreckten Finger und sagte: »Das Kind schläft.«
    Der Fahrer wiederholte seine Bemerkung leiser. Der Verleger, am Sessel Franziskas lehnend, nickte ein; schlief. Franziska stand vorsichtig auf und nahm den Fahrer an die Hand zum Tanzen, Wange an Wange.
    Der Schauspieler kam zur Frau, die am Fenster stand.
    Sie schauten gemeinsam hinaus, wo der stürmischeHimmel mit den Sternen sehr hell leuchtete und in dem Raum hinter den Sternen noch widerschien. Nach einiger Zeit sagte er: »Es gibt manche so weit entfernte Galaxien, daß ihr Licht schwächer ist als das bloße Hintergrundleuchten des Nachthimmels. – Ich möchte jetzt mit Ihnen woanders sein.«
    Die Frau antwortete sofort: »Bitte, machen Sie keine Projekte mit mir.«
    Der Schauspieler schaute sie so lange an, bis sie ihn auch anschaute. Plötzlich erzählte sie: »Ich lag einmal im Krankenhaus, und da sah ich, wie eine sehr alte, kranke, todtraurige Frau die bei ihr stehende Krankenschwester streichelte, aber nur ihren Daumennagel, immer nur ihren Daumennagel.«
    Sie schauten einander immer weiter an.
    Endlich sagte der Schauspieler: »Während wir einander jetzt anschauten, bemerkte ich die Hindernisse meines ganzen bisherigen Lebens, wie Schwellen, die meine Aufmerksamkeit für Sie bedrohten, eine Schwelle nach der andern, und zugleich, nur indem ich Sie immer weiter anschaute, erlebte ich auch, wie diese Hindernisse eins nach dem andern gegenstandslos wurden und nur noch Sie übrigblieben. Ich liebe Sie jetzt. Ich liebe Sie.« Bruno saß unbeweglich; trank nur.
    Die Verkäuferin löste den Fahrer ab und tanzte mit Franziska.
    Der Fahrer torkelte ein bißchen; versuchte ein paar Schritte zum einen, dann zum andern; blieb schließlich abseits stehen.
    Bruno dichtete vor sich hin:
    »Wie ein Propeller ist der Schmerz
    Nur daß es damit nirgendswohin geht
    Und sich nur der Propeller dreht.«
    Franziska lachte darüber beim Tanzen.
    Der Schauspieler blickte sich vom Fenster nach Bruno um, der fragte, ob das denn nicht ein schönes Gedicht gewesen sei.
    Der Verleger antwortete mit geschlossenen Augen, als habe er sich nur schlafend gestellt: »Ich nehme es für den nächsten Verlagskalender.« Er sah den trinkenden Fahrer an: »Sie sind ja betrunken.« Er stand in einer Bewegung auf und sagte: »Ich fahre Sie nach Hause. Wo wohnen Sie eigentlich?«
    Der Fahrer: »Oh, bleiben wir doch noch. Morgen reden Sie ohnehin nicht mehr mit mir.«
    Der Verleger: »Woher kennen Sie
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