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Die lieben Patienten!

Die lieben Patienten!

Titel: Die lieben Patienten!
Autoren: Robert Tibber
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anzurufen, damit sie eine Spritze bekäme.«
    »Phoebe wird sich gefreut haben.«
    »Das war alles, bis auf eine Anfrage.«
    »Was war denn das?«
    »Irgend jemand wollte wissen, ob du noch neue Patienten annimmst. Ich sagte, daß ich das wohl annähme, aber ich könnte wegen der Gebühren nichts sagen.«
    »Caroline«, seufzte ich auf, »hast du noch nichts vom Nationalen Gesundheitsdienst gehört?«
    »Ich wüßte nicht«, antwortete sie. Da waren mir also vermutlich wieder zwei angehende Patienten entgangen.
    Da Annalies nicht da war, aßen wir in der Küche die übriggebliebenen Reste vom Huhn und vom Auflauf.
    Caroline spreizte ihre bloßen Füße unter dem Tisch, stützte ihre Ellbogen auf die Tischplatte und aß ihr Huhn wie Heinrich der Achte.
    »Weswegen bis du herübergekommen, Caroline?« fragte ich.
    »Sex«, antwortete sie und knabberte weiter an ihrem Flügel.
    Ich dachte, daß es vielleicht an ihrem Akzent läge. »Wie bitte?«
    »Sex.«
    »Habe ich also doch richtig gehört. Ist das dafür nicht eine ziemlich lange Reise? Ich meine, konntest du dir das nicht in den Staaten aneignen?«
    »Oh, das ist nicht für mich persönlich«, entgegnete sie, zärtlich ihren Knochen benagend. »Ich bin Studentin der Soziologie und arbeite an einer Untersuchung über, >Das sexuelle Verhalten der Teenager in der westlichen Welt<. Mir hat man England übertragen.«
    »Das ist aber nett von ihnen.«
    »Wie lange wirst du hier zu tun haben?« fragte Sylvia.
    »Sechs Monate.«
    »Und wo wirst du wohnen?« fragte ich.
    »Tantchen bot mir an, mich aufzunehmen...« Ob meine Mutter, von der ich sicher war, daß sie das Wort noch nie in ihrem Leben ausgesprochen hatte, und die sich immer noch an die Bienen-und-Blumen-Theorie hielt, wohl wußte, weshalb Caroline in England war?
    Aber Caroline fuhr fort: »Natürlich würde es schrecklich nett sein in Frinton, aber es ist doch ziemlich klein. Ich glaube nicht, daß es dort allzu viele Teenager gibt.«
    »Gewiß nicht«, stimmte ich zu. »Frinton ist ein Ruhesitz für alte Leute. Weißt du«, sagte ich und fühlte Carolines Schuh unter dem Tisch mit aller Wucht an mein Schienbein treten, »warum bleibst du nicht hier bei uns? Wir haben viel Platz, und in einer halben Stunde bist du im Westend, wo es massenweise Teenager gibt.« Und dann wurde es mir klar, daß Caroline gar keine Schuhe anhatte, und daß es Sylvia war, die mich getreten hatte. Aber jetzt war es schon zu spät.
    Carolines Arme legten sich schon um meinen Nacken. »Du bist ein Lieber!« rief sie aus. Und dann zu Sylvia: »Ist er nicht ein Goldstück?«
    »Hör mal, du Goldstück«, sagte Sylvia später am Abend zu mir, als wir darauf warteten, daß Caroline im Badezimmer fertig würde. »Nachdem nun einmal das Unglück geschehen ist, solltest du dich bei dieser Kusine gut in acht nehmen.«
    »Sie studiert doch nur«, beruhigte ich sie. »Bei Teenagern.«
    »Da würde ich nicht so sicher sein. Wenn ich mich übrigens nicht irre, hast du mir doch erzählt, daß deine Kusine Caroline aus New York ein häßlicher Affe mit Rattenschwänzen sei.«
    »Das war sie auch, als ich sie zum letzten Mal sah.«
    »Wann war das?«
    Ich dachte nach. »Das muß zehn Jahre her sein.«
    »Und noch eins«, fuhr Sylvia fort. »Ich finde nicht, daß sie einen guten Einfluß auf die Kinder hat.«
    »Wieso?«
    »Sie hat Penny eine Make-up-Ausrüstung in Miniatur geschenkt und ihr gezeigt, wie man auf die Wimperntusche spuckt, und Peter hat mich gefragt, was >Alimente< bedeute.
    »Mach dir keine Sorgen«, besänftigte ich sie. »Das wird sich alles geben. Und wenn nicht, können wir sie immer noch an jemand anders weiterreichen. Schließlich ist sie meine Kusine, und außerdem soll man gastfreundlich sein. Und zum mindesten werden wir einen Babysitter haben, wenn Annalies nicht da ist.«
     
    Ich dankte Phoebe Miller für ihre Vertretung während meiner Abwesenheit. Wie üblich sagte sie genau das, was sie dachte: »Wenn Ihre Gattin mir nicht gesagt hätte, daß Sie vor Erschöpfung am Zusammenbruch seien, hätte ich es niemals getan. Ich habe in dieser Jahreszeit mit meiner eigenen Praxis mehr als genug zu tun. Hinzu kommt, daß Clarence einen fürchterlichen Anfall von Gastritis hatte; ich hätte sie bald verloren.«
    Ich murmelte verständnisvoll. Clarence war ihr Hund.
    »Am Sonnabend war ich bis Mitternacht auf«, fuhr sie fort. »Ganz unnötigerweise - ich begreife nicht, warum sie nicht ein wenig ihren gesunden Menschenverstand
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