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Die lieben Patienten!

Die lieben Patienten!

Titel: Die lieben Patienten!
Autoren: Robert Tibber
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sie auf das Telefon achten möchte, während ich badete, als mir plötzlich einfiel, wo ich war, und daß es mich gar nichts anging, was meinen Patienten in dieser Nacht zugestoßen war. Ich hoffte, daß Phoebe Miller damit fertig werden und Mutter am Telefon nicht, wie üblich, allzu viele eigene Ratschläge austeilen würde. Heim und Praxis verschwanden in den hinteren Regionen meiner Gedanken. Ich war glücklich, ein freier Mann auf Urlaub. Ich sprang aus dem Bett.
    Erfrischt durch den langen Schlaf und die wunderbare Aussicht auf einen sonnigen Morgen an der See, sah ich die Mitbewohner meines Hotels mit weniger voreingenommenen Augen als am Abend vorher. Ich wünschte allen Menschen nur das Beste.
    »Guten Morgen!« rief ich der Lady mit den Schlankheitstabletten zu, die sich ihren Weg gegen den Wind an der Küste entlang erkämpfte. »Guten Morgen« schrie ich in Miss Trapps Hörapparat, als wir an ihr vorbeikamen.
    »Guten Morgen, Colonel!« grüßte ich herzlich den alten Mann, der mit der Times unterm Arm zum Hafen marschierte. Es war schön zu leben.
    Nach dem Lunch waren wir beide der Ansicht, daß wir genug frische Luft und das Beste vom Tage gehabt hatten. Die Sonne war verschwunden, und ein eisiger Wind blies von der See her.
    Ganz zufrieden, die Gesichter noch von der Seeluft prickelnd, setzten wir uns in den Gesellschaftsraum zum Tee. Wir fühlten uns schon wie Mitglieder der Familie, und sie hatten wirklich alle ihre Stühle um einige Zentimeter verschoben, um uns am Feuer Platz zu machen.
    Die dicke Lady und die mit dem Stock waren bei einem gemütlichen Gespräch über ihre verschiedenen Operationen angelangt, dem ich mit Vergnügen zuhörte. Meine Augen begegneten denen Sylvias, und ich wußte, daß sie dasselbe dachte wie ich, wie gut es gewesen war, daß ich mich nicht zu erkennen gegeben hatte. Es würde auch keinen Grund geben, dachte ich, der ihnen zeigen könnte, daß ich ein Arzt sei. Aber ich hatte meine Rechnung ohne Miss Trapp gemacht.
    Im Augenblick saß sie noch auf ihrem Stuhl und fummelte an ihrer Batterie herum, um die wichtigeren Einzelheiten der Unterhaltung nicht zu verpassen, und im nächsten lag sie schon in einem kleinen, zusammengekrümmten Haufen auf dem Boden. Sylvia ergriff nur meinen Arm.
    Die dicke Lady schlug sich dramatisch an ihren Busen, der Colonel rief: »Man muß den Arzt holen.« Leider hatte ich keine Zeit, ihre Gesichter zu beobachten, als ich die arme kleine Miss Trapp ausstreckte und herauszufinden versuchte, was mit ihr geschehen war. Ich hörte das Durcheinander von Stimmen hinter mir, aus dem ich nur einige Worte aufnahm »... Brandy« (der Colonel) »... Eau de Cologne« (die Lady mit dem Stock) »... Wasser« (die Geschäftsführerin, die hereingekommen war, um zu sehen, was der Lärm bedeutete) und Sylvia, die ihnen erklärte, daß ich ein Arzt sei.
    Miss Trapp hatte anscheinend einen leichten Schlag gehabt. Mit Zustimmung aller anderen schickte ich nach einem Krankenwagen, der sie in das nächste Krankenhaus brachte, rief ihre Schwester in Brighton an und versicherte der Geschäftsführerin, daß durchaus die Möglichkeit bestünde, daß sie in einigen Wochen wieder hierher zurückkehren könnte. Als ich in das Gesellschaftszimmer zurückkehrte, herrschte dort eine erwartungsvolle Stimmung.
    »Arme Miss Trapp«, war das Stichwort.
    Dann kam: »Wir hatten keine Ahnung...« Die dicke Lady sah mich bewundernd an, und ich bereitete mich schon auf eine lange Liste von Fragen wegen ihres Gewichtes vor.
    »Meine alte Gicht...« begann der Colonel, wurde aber von der Lady mit dem Stock unterbrochen.
    »Was für ein Arzt sind Sie?« Sie beugte sich zu mir herüber, und ich fühlte mich in die Enge getrieben. Flehend blickte ich meine Gefährtin an.
    »Mein Mann ist Facharzt«, erklärte sie, und ich blickte sie voller Schrecken an, sie mußte verrückt geworden sein, »für Geschlechtskrankheiten!«
    Entsetztes Schweigen, alle schienen zurückzuzucken. Die dicke Lady erholte sich als erste. »Ob Miss Trapp wohl Weintrauben essen darf?« fragte sie geziert, und ich fühlte mich aus dem Gespräch ausgeschlossen.
    Wir flohen in unser Zimmer, um nicht herauszuplatzen.
    »Was für ein Einfall!« bewunderte ich Sylvia. »Wie bist du nur darauf gekommen?«
    Aber Sylvia schüttelte sich noch immer vor Lachen, während ihr die Tränen zusammen mit ihrer Wimperntusche über das Gesicht strömten. »Oh, Liebster«, stöhnte sie, »der Ausdruck auf ihren
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